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Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft
Autoren: Katharina Born
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Informationen behilflich gewesen waren. Schließlich betonte er noch einmal das Interesse der Wissenschaft an Vahlens Beziehung zu Gellmann.
    Während er sprach, machte er häufig Pausen, trank vom Wein, der ihm schmeckte und wohltat, und begann auch die Blicke der Witwe zunehmend zu genießen. Er war sich noch immer nicht im Klaren, was er von Hella Vahlen erwarten konnte. Vielleicht wollte sie ihn prüfen, dachte er, so etwas war er gewohnt von den Frauen, mit denen er zusammengearbeitet hatte. Oder sie machte sich nur lustig über ihn und seine sicher allzu offensichtliche Überredungsstrategie, und dann meinte er plötzlich, sie fände ihn attraktiv.
    Die Vorstellung begann Wieland zu beunruhigen, als er einen fauligen Gestank bemerkte. Noch beim Sprechen suchte er den Raum nach einem möglichen Ursprung ab, bis er zu seinen Füßen den Dackel liegen sah. Abrupt erhob er sich. Aber sofort jaulte der Hund auf, so dass Wieland fürchtete, die Witwe könne glauben, er habe das Tier getreten.
    Â»Wir gehen in den Salon«, sagte Hella Vahlen. Und sie lächelte beinahe fröhlich, als genieße sie die erneute Fassungslosigkeit ihres Besuchers.
    Â 
Die Panne des Fremden (Juni 1865)
    An einem der wenigen Sonnentage im regnerischen Juni von 1865 hatte in der Melsbacher Hohl unterhalb der Kirche ein junger Herr mit seinem Landauer eine Panne. Der glänzende Wagen machte noch mit gebrochener Vorderachse und schief am matschigen Fuß der Hüh stehend, großen Eindruck auf die herbeigekommenen Dorfbewohner. Der Herr selbst trug einen samtblauen Gehrock und war von so offensichtlich städtischer Eleganz, dass keiner der jungen Männer, die auf dem angrenzenden Feld mit dem Ausbringen von Mist beschäftigt waren, es wagte, ihm zu helfen. Er hatteaussteigen müssen, um das Pferd zu beruhigen, was ihm sichtlich schwerfiel, so aufgebracht war er. Als seine glanzledernen Stiefel im Schlamm versanken, begann er laut zu fluchen.
    Die Mädchen kehrten gerade vom Markt in Arlich zurück und sahen schon von weitem den Wagen. Die großen leeren Körbe im Arm, liefen sie über den matschigen Waldpfad aus der Hohl heran, um den Fremden genauer zu besehen. Die Jungen, die nun ebenfalls vom Kurtenacker herbeigerannt kamen, fingen in ihrer Aufregung an zu johlen und die Mädchen zu zwicken. Diese aber kicherten beim Anblick des jungen Herrn nur noch nervös, senkten den Blick und versuchten ihre von den Waldbeeren blaugefärbten Hände hinter den schmutzigen Röcken zu verstecken.
    Allein Irma stand wie angewurzelt da und beobachtete den schimpfenden Mann, seinen schnaubenden Braunen, die blitzende Kutsche und den schönen Rock. Schnapp sprang um das Mädchen herum und bellte den Wagen an. Langsam öffneten sich Irmas Lippen. Aber sie schlossen sich sofort wieder, als der Mann sie ansah.
    Im Jahr 1865 war Irma Wittlich dreizehn Jahre alt. Zwar hatte sie, wie alle ihre Geschwister, die Wittlichschen Ohren, das starke Kinn und die etwas zu große Nase. Was bei den anderen aber zu dem ärmlichen, hohläugigen und dümmlichen Ausdruck geführt hatte, für den die Familie bekannt war, verschmolz in Irmas Gesicht zu einer extravaganten Schönheit, einer gebrochenen Harmonie.
    Die Wittlichs hatten nie Glück gehabt. So lange man sich in Sehlscheid erinnern konnte, waren sie Trinker gewesen, rauhbeinige, brutale Bewohner der Lehmhütte auf der Hüh, die es mit ihrem kleinen, unfruchtbaren Stück Land nie weiter brachten als ihre Väter. Jeden Morgen mussten die Töchter dem Alten den Eimer ans Bett bringen, denn bevor er den Kopf ins kalte Wasser getaucht hatte, durfte niemand das Wort an ihn richten. Abends umwickelten die Großen den Kleineren mit Lappen die Füße, damit die Ratten nicht an ihnen fraßen. Sie bauten Kohl und Kartoffeln an, zogen Kaninchen und Ziegen. Aber allein mit dem Verkauf von Heidelbeerenim nahegelegenen Arlich konnte die Familie Vorräte für den langen Winter anlegen.
    Meistens trug Irma die schweren Körbe in die Stadt, weil sie bei den Händlern, die aus den Beeren den bekannten Westerwälder Morbelswein machten, mit ihrem hübschen Lächeln ein paar Pfennige mehr bekam. Nie wurde sie den Geschwistern vorgezogen, und sie drückte sich vor keiner der Arbeiten. Allein die große Anhänglichkeit des Hundes Schnapp, schon der dritte seiner Art, seit Irma in der dunklen Hütte geboren worden
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