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Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft
Autoren: Katharina Born
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zu Lebzeiten bekannter gewesen war als Gellmann, heute spielte sein Name außerhalb der Schulbücher und Anthologien kaum noch eine Rolle.
    Â»Verstehen Sie mich bitte nicht falsch«, begann Wieland vonneuem. »Ich habe durchaus davon gehört, dass Sie nicht gerne solche Anfragen bekommen. Aber als einer der einflussreichsten Autoren der fraglichen Zeit darf Peter Vahlen in meiner Arbeit nicht fehlen. Meine Dissertation könnte auch für die Rezeption seines Werkes wichtig sein. Ich hätte es schlicht als unhöflich empfunden, Sie nicht zu fragen, ob Sie mir helfen wollen.«
    Wieland hatte wohl den richtigen Ton gefunden. Die Witwe schien nachzudenken. Nach einer Weile räusperte er sich, und sie sah ihn fragend an, als habe sie vergessen, dass er vor ihr stand. Dann begann sie plötzlich zu zischen, ein tonloses, scharfes Geräusch, und der Dackel trottete zurück an seinen Platz vor der Tür.
    Â»Nun kommen Sie schon herein«, sagte sie.
    Wieland stieg die restlichen Stufen der Treppe herauf und tat einen Schritt über den Hund hinweg. In der mit dunklem Marmor gefliesten Eingangshalle zog er den Mantel enger um sich. Aus dem Kamin roch es nach feuchtgewordener Asche. Staub lag auf den Vorsprüngen der Wandvertäfelung. Am Eingang steckten in einer Vase zwei Regenschirme, über die sich Spinnweben zogen. Trotz seiner offensichtlichen Ungepflegtheit ging von dem Haus eine besondere Lebendigkeit aus. Unter dem Aufgang zum ersten Stock öffnete sich eine buntverglaste Doppeltür zum hinteren Flügel. Rechts führte ein Gang hinaus in den Wintergarten, den Wieland schon bei seiner Ankunft gesehen hatte. Auch im Vergleich zum Haus seiner Mutter erschien ihm hier alles aus einer anderen, besseren Zeit.
    Â»Ich werde Ihnen kaum helfen können«, sagte die Witwe, die ohne ein weiteres Wort vorausgegangen war. Wieland folgte ihr in den mit hohen Pflanzen bestandenen Glasanbau.
    Hella Vahlen musste bereits getrunken haben, denn auf dem Tisch stand eine halbvolle Flasche Weißwein. Ein Laptop surrte aufgeklappt vor sich hin. Der Bildschirm war zu klein, als dass Wieland aus der Entfernung hätte erkennen können, woran sie arbeitete. Die Witwe schenkte ihm ein Glas ein, bot ihm einen Sessel an und nahm selbst auf der Chaiselongue Platz. Sie schien ihre feindlicheHaltung nun ablegen zu wollen. Aber auch die neue Freundlichkeit war schwer einzuordnen, und ihre Schönheit irritierte Wieland.
    Â»Niemand hat die Papiere bisher auch nur angefasst. Der eine oder andere behauptet zwar, dass alles bereits veröffentlicht sei und es hier nichts mehr zu entdecken gibt. Aber woher wollen sie das wissen? Schließlich würde ich mich daran erinnern, die Sachen jemandem gezeigt zu haben. So lange ist das alles ja nicht her.«
    Naja, dachte Wieland. Peter Vahlen war vor beinahe fünfzehn Jahren gestorben. Ein tödlicher Unfall, hieß es in den Nachschlagewerken. Immerhin war aus seinem Roman inzwischen eine erfolgreiche Fernsehserie geworden. Demnächst sollte die sechste Staffel anlaufen. Sogar in Duisburg hingen die überlebensgroßen Werbeplakate für Villa Westerwald . Vahlens Verlag hatte sicherlich von dem Rummel profitiert. Auch wenn die Serie in der Öffentlichkeit so gut wie nie mit dem Schriftsteller in Verbindung gebracht wurde, schien es dem Doktoranden unwahrscheinlich, dass sich noch niemand um seinen Nachlass bemüht haben sollte.
    Die Witwe schlug die Beine übereinander. »Gellmann«, sagte sie nun lauter, und Wieland wunderte sich über die plötzliche Härte in ihrer Stimme. »Ich glaube nicht, dass wir überhaupt etwas von ihm haben.«
    Â»Aber Herr Gellmann hat Briefe Ihres verstorbenen Mannes an das Archiv gegeben. Er selbst sagte mir, dass bei Ihnen noch einiges von ihm sein müsste.«
    Â»Gellmann weiß das doch gar nicht. Der hat auch vieles vergessen«, sagte sie ärgerlich, fasste sich aber gleich wieder. »Worum geht es denn in Ihrer Arbeit?«
    Â»Ich möchte anhand von Gellmanns Korrespondenz zeigen, wie in seinen frühen Stücken vor allem autobiografische Elemente zum Tragen kommen. Bisher galten sie als reines Dokumentartheater.«
    Der Doktorand war froh, von seinem Projekt erzählen zu können. Er ließ die enge Zusammenarbeit mit Gert Gellmann zunächst beiseite und nannte stattdessen die Namen der bekannten Regisseure,Autoren und Kritiker, die ihm mit Material und
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