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Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft
Autoren: Katharina Born
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Hintergründen der Tat ist noch nicht bekannt! Oder doch. Die Enkeltochter ist das letzte Bindeglied einer langen, ungeklärten Geschichte. Unter anderem geht es um die Freundschaft zwischen zwei Schriftstellerkollegen. Wenn hier noch irgendjemand weiß, was das Wort Freundschaft bedeutet!«
Bei sechzig Grad (Juni 2007)
    Gisela Wieland schaltete den Fernseher ab. Kein Kommentar mehr zu der Nachricht, die gestern immerhin das Abendjournal beendet hatte. Das Dach der Villa hatte gebrannt, die Feuerwehr war gekommen,aber da bestand der Nachlass des Romanciers bereits nur noch aus Asche. Mehr war nicht passiert.
    Es war ja auch nur Papier, dachte Gisela. Und so berühmt war Peter Vahlen nicht. Jedenfalls hatte Ortrud Giester noch nie von ihm gehört. Gleich im Anschluss an die Nachrichten hatte sie angerufen. »Hast du das gehört?«, quietschte sie. »Die Enkelin von diesem Schriftsteller hat die Villa Westerwald angezündet!« Ortrud fragte sich, warum das Mädchen das wohl getan haben könnte und was der Dramatiker Gert Gellmann damit zu tun hatte. Mit Sicherheit stecke eine Frau hinter der Geschichte, sagte sie. Und Gisela antwortete, das könne schon stimmen. Sie müsse jetzt auflegen, sie erwarte Besuch.
    Noch am Morgen vor der Fernsehnachricht hatte Gisela während des Ausbreitens der nassen Laken gedacht, Andreas würde jeden Moment anrufen, und alles würde sich aufklären. Sein hysterisches Gerede, die Unruhe und Angst, als er ihr das Manuskript gebracht hatte, konnten nur Folge seiner Überbelastung sein. Er würde wieder ganz der Alte sein, immer ein wenig unglücklich, immer ein wenig hinterher. »Andreas bleibt hinter seinen Möglichkeiten zurück«, hatte es schon in den ersten Schulzeugnissen geheißen. Aber am Ende würde er doch seinen Weg finden.
    Sie dachte an die endlosen Nächte, in denen er sich wundgekratzt hatte. Oft hatte sie sich damals gefragt, ob es ihre Schuld war, dass ihr Sohn sie mindestens zweimal in der Nacht zu sich rief. Hätte sie, wie ihr Mann behauptet hatte, strenger mit dem Jungen sein müssen? Hätte sie wütend werden, ihn anschreien sollen? Oder war es besser, immer zu ihm zu halten, wie nur eine Mutter zu ihrem Sohn halten kann. Noch immer wusste sie keine Antwort auf diese Fragen.
    Andreas hatte bei ihr geklingelt, wieder ohne sich vorher anzukündigen. Als sie hinter dem Türfenster das Gesicht ihres Sohnes erkannte, war ihr erster Gedanke, er habe nun doch ihr Auto kaputt gefahren. Aber Andreas drückte sich schnaufend an ihr vorbei in den Flur. Er trug noch immer den schmutzigen Frauenmantel, undin den Händen hielt er einen orangen Plastikkorb, wie sie ihn für ihre Wäsche benutzte.
    Das »Manuskript« war in Wahrheit ein Haufen von verblichenen Ordnern, alten Fotos und schäbigen Notizbüchern. Gisela hatte es nicht gewagt, die Sachen anzufassen, deckte nur ein Laken darüber, ein dunkles. Denn, dass das alles nicht ganz sauber war, schien offensichtlich. Gemeinsam hatten sie den Korb im untersten Fach ihres Kleiderschranks verstaut, da wo vorher die Winterstiefel in großen Kartons gestapelt waren. Und seit er dort stand, konnte sie kaum mehr an etwas anderes denken.
    Das Haus war jetzt ganz still. Nicht einmal, nachdem Andreas’ Vater damals gegangen war, hatte Gisela sich so einsam darin gefühlt. Andreas hatte etwas von fünfzehn Jahren gesagt, die man abwarten müsste, und von Polizisten, die wegen des Manuskripts nach ihm suchten. Und je länger Gisela nachdachte, desto mehr verließ sie die Gewissheit, sie würde ihren Sohn in nächster Zeit wiedersehen. »Unwiederbringlich verloren«, hatte es in der Fernsehmeldung geheißen, »Dokumente und Briefe von schwer schätzbarem Wert«.
    Jeden Abend drehte sie nun den Schlüssel in der Haustür zweimal herum. Sie ließ alle Rollläden herunter und überprüfte vor dem Schlafengehen das schwerschließende Fenster in der Küche. Wenn sie das alte Klappbett nicht zum Sperrmüll gegeben hätte, dann hätte sie die Nächte wohl in ihrer Waschküche verbracht. Denn sicher fühlte sie sich nur dort.
    Entschlossen legte Gisela den Roman zur Seite, dessen Handlung sie ohnehin nicht folgen konnte. Sie stand auf, zog sich Pantoffeln und den Bademantel über, zerrte den Plastikkorb aus dem Schrank hervor und trug ihn die Treppen herunter in die Waschküche.
    Mit dem vertrauten
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