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Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft
Autoren: Katharina Born
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habe auch nicht vor, mich mit ihm zu schmücken. Im Gegensatz zu ihm werde ich noch gelesen und aufgeführt. Jeden Tag.«
    Â»Schön für dich.«
    Â»Findest du nicht, du übertreibst? Willst du denn ewig auf diesen Sachen hockenbleiben? Du wirkst bitter, meine Liebe. Weißt du, wie man dich nennt? Die schwierige Witwe.«
    Â»Ich bin schon so viel beschimpft worden. Inzwischen ist es mir egal, was ihr alle denkt oder wie ihr mich nennt. Ich bin wie ihr. Mich interessiert nur noch, was mich selbst angeht.«
    Â»Vahlen hätte das nicht gewollt, dass du dich auf diese Art vor seine Arbeiten stellst.«
    Â»Bisher hat sich nie jemand wirklich für Vahlens Sachen interessiert. Warum sollte es plötzlich so dringend sein? Ich möchte nicht, dass du meine Familie in deine Angelegenheiten hineinziehst.«
    Â»Was bitte ist daran anstößig, in einer Publikation über mein Werk und Leben vorzukommen? Davon abgesehen, dass es ein Stück weit auch um meine Familie geht, schon vergessen?«
    Â»Das hättest du dir früher überlegen müssen. Alexia hat ziemlich darunter gelitten, dass sie dich nicht mehr gesehen hat.«
    Â»Hat sie das gesagt?«
    Â»Das braucht sie nicht zu sagen.«
    Â»Dann hat sie also auch nicht gesagt, dass sie es war, die jeden Kontakt zu mir abgebrochen hat?«
    Hella zögerte. Kurzzeitig verschwand die Sonne hinter den Wolken. In diesem Moment sah sie einen zweiten Wagen in die Auffahrt einbiegen. Westphals Cabriolet.
    Â»Du hättest dich um sie bemühen müssen. Auch Väter haben gewisse Rechte.«
    Der Wind wehte Hella das Haar in die Augen. Gellmann sah sie an, eine Mischung aus Staunen und Verachtung in seinem Blick.
    Â»Du glaubst doch nicht wirklich, dass Alexia von mir ist?«, fragte er.
Westerwaldlied (März 1959)
    In einer langen Reihe parkten die Wagen vor der Einfahrt der Wirtschaft im Gebück. Die Damen trugen lange schwarzglänzende Kleider, und die Herren standen in Grüppchen auf dem Pflaster des Vorplatzes, auf das die Morgensonne harte Schatten warf.
    Die Augen der Witwe Emmy schauten klein und ängstlich unter ihrem Hut hervor. Beim Eintreten in das Gasthaus stützte sie sich auf den Arm ihrer Schwiegertochter Hilde. Die Blumengestecke waren im Flur abgestellt, der Blechkuchen stapelte sich in der Durchreiche zur Küche, Flaschen wurden klirrend auf die Tische gestellt. Ein dickes Mädchen im dunkelblauen Kittelkleid drängte sich lachend und mit herausgestreckter Zunge vorbei an den Gästen.
    Hella lehnte am Eingang zur Schankstube. Ihre Mutter unterhielt sich mit der Verwandtschaft. Von Zeit zu Zeit deutete Martha von Nesselhahn im Gespräch in Richtung ihrer Tochter. Schüchternerwiderte Hella die Blicke, froh, dass die Mutter sie nicht zu sich rief. Sie schämte sich jetzt, beim Friseur auf den Kurzhaarschnitt bestanden zu haben. Da spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter.
    Â»Wie geht es dir?« Ein schlaksiger junger Mann mit leicht abstehenden Ohren war an sie herangetreten.
    Â»Danke, es geht«, sagte Hella. »Ich kannte Onkel Hermann ja kaum. Eigentlich kenne ich niemanden hier.«
    Â»Das meine ich nicht.« Der Junge sah sie belustigt an. »Um den Großteil der Leute aus Sehlscheid ist es ohnehin nicht schade.«
    Hella wusste nicht, wie sie reagieren sollte.
    Â»Ich bin so etwas wie ein Cousin von dir. Peter Vahlen, Hagis’ Sohn.«
    Â»Hagis Kind?« Den berühmten Onkel aus Amerika kannte sie natürlich. Einmal hatte er ihre Mutter sogar in Köln besucht. »Der hatte einen Sohn?«
    Â»Drei. Aus erster Ehe. Hättest du nicht gedacht, was?« Peter beobachtete sie genau.
    Â»Ich wusste nicht einmal, dass er verheiratet war.«
    Â»Dreimal.«
    Hella musste lachen. »Das passt schon eher zu ihm.«
    Peter winkte ab. »Du scheinst ja doch eine ganze Menge über uns zu wissen. Aber ich sage dir, die einzige, die es sich wirklich zu kennen lohnt in dieser Familie, das ist mein Gertrud hier. Sie ist die Tochter von Hilde, der das Gasthaus gehört, nicht wahr, Prinzessin?« Das dicke Mädchen, dessen rundes Gesicht ohne Hals in den plumpen Körper überzugehen schien, hatte sich an Peters Arm gehängt und grinste. Hella meinte, sich jetzt doch an diese entfernte Verwandte zu erinnern, die nur wenig älter sein konnte als sie und von der ihre Mutter gesagt hatte, sie sei zurückgeblieben.
    Â»Kennst du noch das
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