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Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft
Autoren: Katharina Born
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Cousinchen Hella?«, fragte Peter. »Das letzte Mal haben wir sie gesehen, da war sie noch nicht mal eingeschult. Und jetzt?«
    Â»Ich studiere Medizin«, sagte Hella.
    Â»Der schönen Tante Marthas schönste Tochter«, sagte Peter, und Hella war nicht sicher, ob er sich über sie lustig machte.
    Das Gertrud hatte Hella an den Händen genommen und zog sie hinter sich her auf die Terrasse. Einige der jüngeren Gäste stützten sich auf das Geländer und blickten über das Tal. Wie später Schnee sammelten sich die Blütenblätter der Apfelbäume in den Senken am Hang.
    Peter ließ sein Feuerzeug aufschnappen, zündete sich eine Zigarette an und nahm einen Zug. »Da unten sind meine Brüder und ich früher Schlitten gefahren. Es war die schnellste Piste im Ort. Dann hatten eines Morgens die Franzosen ihre Zelte da aufgebaut.« Er zeigte auf den schmalen Weg, der an den Pappeln vorbei zum Wiesenbach führte. Hella betrachtete seinen Nacken, die leicht hochgezogenen Schultern.
    Â»Als meine Mutter gestorben ist, mussten wir zu Hagis nach Amerika. Aber letztes Jahr bin ich zurückgekommen. Hierzulande ist das Studium immerhin umsonst. Und jemand musste schließlich aufpassen, dass sich die Nazis nicht zu breit machen.«
    Zwei der jungen Frauen blickten Peter entsetzt an.
    Â»Ja, ja, ihr habt es nicht so gerne, wenn ich so etwas sage. Aber alle wissen doch, dass der tote Onkel hier ein Nazi war, nicht wahr Cousinchen?«
    Â»Nazi, Nazi!«, rief das Gertrud und klemmte die Zunge zwischen die Zähne.
    Â»Lass das lieber, Prinzessin. Sonst hängen die lieben Nachbarn das Gertrud übermorgen an ihrem Kirschbaum auf.«
    Später saßen sie auf den Holzkisten im Weinkeller. Peter sagte, er hätte dort früher Verstecken gespielt. Eine einzige Lampe erhellte vom Flur aus die Räume. Er hatte mit dem Daumen den Korken einer Flasche eingedrückt. In kleinen Schlucken tranken sie von dem sauren Wein. Hella fror, und Peter rieb ihre Arme. Erst küsste er sie auf die Stirn, dann auf den Mund. Hella wollte sich losmachen, aber er hielt sie fest.
    Â»Du weißt, dass wir das dürfen«, flüsterte er. Hella verstandnicht, was er meinte. »Du weißt doch, dass mein Vater adoptiert ist?«
    Â»Von wem?«, flüsterte sie zurück.
    Â»Von deiner Oma Kläre, Dummerchen.«
    Sie hörten das Gertrud im Nachbarraum herumtappen. Ein Blecheimer schepperte. Ein Glas ging zu Bruch.
    Â»Prinzessin! Hier sind wir!«, rief Peter und zog Hella an sich heran. Sie fühlte sein Herz an ihrer Brust klopfen. Als der Körper des dicken Mädchens den Eingang verdeckte, wurde es einen Moment lang dunkel im Raum.
    Â»Lass uns abhauen«, sagte Peter zu Hella. »Ich habe einen Wagen. Wir könnten hoch zum Nonnenley fahren.«
    Hella nickte.
    Das Gertrud quetschte sich auf die Rückbank des Sportwagens. Peter hatte das Verdeck geöffnet, und der Fahrtwind brannte auf Hellas Wangen. Sie blickte durch die Buchenstände hinab ins Tal, bis ihr schwindelig wurde. In den engen Kurven kreischte das Gertrud auf.
    Â»Bitte nicht so schnell«, sagte Hella.
    Â»Keine Angst, ich hab alles im Griff.«
    Â»Aber wenn dir jemand entgegenkommt.«
    Peter grinste. »Dann stehen unsere Chancen wohl fifty-fifty«, sagte er.
    Der Wagen wurde schneller.
    Â»Du musst mich nicht beeindrucken«, sagte Hella.
    Â»Ich will dich aber beeindrucken.« Er sah sie nicht an.
    Bei der Abfahrt in Richtung Hardert kam der Wagen am Rand der Schnellstraße zum Stehen. Hella war übel. Sie öffnete die Tür und lief vornüber gebeugt in die Böschung, Peter folgte ihr, versuchte sie zu fassen. Von weitem hörten sie das Gertrud rufen. Hella trat in eine Pfütze, stolperte, er griff nach ihr. Sie rannte weiter. Dann fielen sie beide, er lag auf ihr und küsste sie heftig.
    Als sie die Straße wieder erreichten, hatten die vereinzelt vorüberrauschenden Autos die Scheinwerfer eingeschaltet. Lange gingensie auf dem Grasstreifen zurück, bevor sie den Wagen am Straßenrand stehen sahen. Hella bemerkte nicht sofort, dass die Rückbank leer war. Das Gertrud war nirgends zu sehen.
    Sie suchten, in den sumpfigen Böschungen, rufend, über die Höhen laufend, mit der Taschenlampe, die Peter aus dem Handschuhfach geholt hatte, liefen durch Brennnesseln, sprangen über nachtschwarze Abwassergräben, bis sie keuchend
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