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Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft
Autoren: Katharina Born
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innehielten. Einmal dachte Hella, im Dunkeln etwas liegen zu sehen. Sie blieben stehen, gingen weiter, blieben wieder stehen. Die Wolken ihres Atems wirbelten im Schein der Lampe umeinander. Ein Knacken. Peter rief noch einmal. Das Gertrud blieb verschwunden, auch an allen folgenden Tagen.
Vor Ort aufgezeichnet (Juni 2007)
    Westphals Cabriolet war kaum zum Stehen gekommen, als Judith ohne ein weiteres Wort heraussprang. In ihrem hellen Kostüm, den Schal in einer großzügigen Geste um Kopf und Oberkörper geworfen, ging sie ihrer Mutter und Gellmann entgegen. Westphal schaltete den Motor ab, stieg aus und lief langsam über den Rasen zu ihnen herüber.
    Â»Gib ihm die Briefe, Mama. Es sind seine«, rief Judith.
    Â»Was weißt du schon? Er hat uns immer nur benutzt.«
    Gellmann schien verzweifelt. »Benutzt? Ihr brauchtet mich doch als Bösewicht für eure Romanze im Westerwald. Von wegen, ich hätte euch eure Tochter genommen. Wollt ihr wissen, wie es wirklich war? Wir haben uns geliebt. Die Details erspare ich euch. Erst durfte ich für Alexia den Vater spielen, dann habt ihr sie mich nicht mehr besuchen lassen.«
    Â»So kann man es auch sehen«, Judith lachte gezwungen. »Du warst doch froh, dass du dich nicht mehr um sie kümmern musstest.«
    Â»Ich bin allein auf der Welt. Ich habe nur mein Werk. Und jetzt wollt ihr mir auch noch meine eigenen Briefe vorenthalten.«
    Â»Gib ihm die Briefe, Mama«, wiederholte Judith. »Papa hätte es so gewollt.«
    Â»Ich habe sie doch gar nicht. Die hast du doch, oder dein feiner Doktorand hat sie in seine Universität gebracht.«
    Judith schien verwirrt. »Ich dachte, du hättest sie genommen.«
    Aber die Witwe ging gar nicht darauf ein. »Du hast dich nie für die Arbeiten deines Vaters interessiert. Denkst du, er wäre dir dankbar, dass du seine unfertigen Manuskripte verscherbelst?«
    Â»Wer hat denn mit den Drehbüchern angefangen?«
    Â» Westerwald ist ein autorisierter und publizierter Roman. Die Verfilmung war eine einmalige Gelegenheit. Du weißt selbst, dass ich mit den späteren Folgen nicht glücklich bin.«
    Judith schien einlenken zu wollen: »Wir müssen das Manuskript ja gar nicht veröffentlichen. Wir könnten es direkt für die Serie umschreiben. Diesmal passen wir auf, dass alles stimmt. Ich kümmere mich darum, dass wir das Manuskript zurückbekommen, sobald Wieland wieder auftaucht.«
    Â»Willst du etwa sagen, er sei damit verschwunden?« Hella war jetzt sehr bleich.
    Â»Wieland ist ein bisschen durchgedreht. Aber er wird schon wiederkommen. Bestimmt bringt er dir das Manuskript demnächst selbst vorbei. Was du nicht drin haben willst, lassen wir raus. Das muss Reinier uns versprechen.«
    Die Blicke der Frauen richteten sich auf Westphal.
    Aber in diesem Moment griff Gellmann mit rettender Hand in das Geschehen ein. »Meine Lieben!«, rief er, wie um alle zu beschwichtigen. »Das Haus brennt!«
    Sie schauten nach oben. Dicke schwarze Rauchwolken stiegen hinter dem Giebel auf und wurden von heftigen Windstößen hin und hergerissen.
    Â»Wo ist Alexia?«, schrie die Witwe. »Wir müssen sie da rausholen!«
    Â»Ich dachte, sie ist bei den Pferden?«, rief Judith.
    Â»Sie war eben noch im Haus!«
    Die Witwe blickte Judith an, und diese schaute, plötzlich wieder sehr gefasst, zurück.
    Hinter einem der Fenster im ersten Stock war das beinahe gespenstisch zarte Gesicht des Mädchens zu sehen. Im nächsten Moment bewegte sich nur noch der Vorhang hin und her.
    Gellmann begann zu lachen: »Gut gemacht, Alexia! Herr Westphal, Aufnahme bitte!« Die Arme vor sich ausgebreitet, den Blick weiterhin auf den nun lodernd brennenden Dachstuhl gerichtet, rief er nach oben, als sollte vor allem Alexia ihn hören: »Aus bisher unbekannten Motiven hat die Enkeltochter des verstorbenen Romanciers Peter Vahlen heute das Haus ihrer Familie in Brand gesetzt.«
    Hella schrie, es möge doch endlich jemand die Feuerwehr rufen. Westphal suchte in seiner Jackentasche nach dem Handy.
    Gellmann redete wie aufgezogen weiter: »Die Villa des Schriftstellers, die auch als Vorlage der beliebten Fernsehserie Villa Westerwald fungiert hat, ist abgebrannt. Sämtliche Briefe der Kollegen, darunter die wertvolle Korrespondenz mit dem Dramatiker Gert Gellmann sind unwiederbringlich für die Nachwelt verloren gegangen. Näheres zu den
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