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Alles total groovy hier

Alles total groovy hier

Titel: Alles total groovy hier
Autoren: Jörg Juretzka
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TAG 1
    Die Straße ließ sich Zeit, wand sich in Schlangenlinien durch ein schroffes, felsiges Terrain und häutete sich dabei. Will sagen, das Asphaltband erodierte allmählich zu einem Stückwerk, dessen Einzelteile weiter und weiter auseinanderklafften, je länger wir ihm folgten. Dorniges Gestrüpp und Baumleichen säumten die Straßenränder, skelettdürre Pferde vegetierten auf sonnenverbrannten, staubigen Weiden. Hier und da, wo der Straßenverlauf zum Verzögern zwang, fanden sich dunkle, ausgemergelte, zahnlückige Gestalten beiderlei Geschlechts und jeden Alters, ihre Mienen eine Mischung aus trotziger Resignation und unkaschierbarerVerschlagenheit. Sie hoben Tiere ans Wagenfenster, Hunde, Welpen zumeist, doch auch der eine oder andere Leguan war darunter, von Katzen ganz zu schweigen.
    »Zigeuner«, sagte Scuzzi und spuckte aus. »Halt bloß nicht noch mal an, oder von uns und dem Auto sind binnen Minuten nur noch die Gerippe übrig.«
    Wir rumpelten weiter durch die Schlaglöcher, und Scuzzi sprach aus, was uns beide beschäftigte. »Irgendwie hab ich mir nach Schissers Beschreibung die Gegend hier ein bisschen anders vorgestellt.«
    Das grelle, nahezu senkrecht vom Himmel herabschwärende Licht nahm allem die Konturen, eine knisternde Hitze ließ jede Bewegung erstarren, vom trägen, mühelosen Flug der Geier einmal abgesehen. Und uns, natürlich, in unserem stickigen Wohnmobil, alle Fenster so weit es ging aufgerissen, wodurch das Innere unaufhaltsam zustaubte, bis es Teil der Landschaft zu werden begann. Etwas wie eine Vorahnung kroch mir durch die Eingeweide, eine Beklemmung, eine erste Stufe von Angst, ohne dass es dafür tatsächliche Gründe gab. Es war die Lebensfeindlichkeit der Landschaft, die gnadenlose Härte der himmlischen Strahlung, die schockierende Armut der Leute. Wir passierten ein Dorf, oder was davon übrig war. Ein paar streunende Hunde lagen oder schlichen herum, doch andere Bewohner waren nicht auszumachen, die instinktiv erhoffte Bar erst recht nicht. Nur eingesunkene Dächer, zugemauerte Türen, vernagelte Fenster oder aber gähnende Höhlen, die Räume dahinter voll Müll und Sand, wüst und trocken wie alles hier. Und, wie gesagt, keine Bar. Ich begann, den Landstrich zu hassen und Schisser zu verfluchen, und Scuzzi erst recht. Die beiden hatten das erbrütet, hatten sich gegenseitig hineingesteigert in dieses Kiffer-Klischee, hier im ach so sonnigen Süden die Stormfuckers Ranch zu gründen, eine Dope-Plantage als Erholungs-und Rückzugsort für alternde Biker, wenn man so will. Und dann hatten sie nach und nach die halbe Gang damit angesteckt. Ich war von Anfang an dagegen, hatte nicht einen Cent beigesteuert, jede Menge Ärger mit den örtlichen Behörden vorausgesehen und allein schon deshalb verkündet, niemals mitfahren zu wollen. Und trotzdem war ich jetzt hier, auf der Suche nach dem verschollenen Schisser und den ebenfalls abgängigen hundertachtzigtausend Euro, nicht zu vergessen.
    Fetter, widerwärtig stinkender, schwarzer Rauch schlug uns entgegen, gerade als ich dachte, wir hätten es bis ans Wasser geschafft. Eine als wilde Müllkippe genutzte Kluft zum Meer hinab schwelte vor sich hin, allem Anschein nach für immer. Zahllose Reifenspuren deuteten jedenfalls an, dass sie weiterhin munter mit Nachschub versorgt wurde.
    Irgendwie war ich mit der Gegend fertig, noch bevor ich auch nur den Gang rausgenommen hatte.
    »Du bist Detektiv, Kristof«, hatte Charly, Präsident der Stormfuckers und damit auch meiner, festgestellt. »Also fahr runter und finde heraus, was da los ist. Und nimm Scuzzi mit. Der kann Spanisch.«
    Scuzzi. Pierfrancesco Scuzzi. Spricht in Verhöhnung des eigenen Namens kein über das Vokabular eines türkischen Pizzaboten hinausgehendes Wort Italienisch, hatte aber angeblich letztes Jahr von zwei Barschlampen auf Gomera Spanisch gelernt. Pierfrancesco also, mein Scuzzi, mein bester Freund.
    Er mit dem polytoximanen Drogenproblem, er mit dem geleckten Äußeren und dem billigen Charme eines sizilianischen Erbschleichers, er ohne Führerschein und sonstige Ambitionen außer denen, sich die Birne dichtzuziehen und träges Abhängen in den Stand einer Kunstform zu erheben. Das Problem ist, unsere Freundschaft funktioniert nicht auf Reisen. Ja, im Grunde funktioniert sie nur zu Hause, wo ich mich verziehen kann, sobald er mir auf die Eier zu gehen beginnt.
    Nun, nach mittlerweile drei gemeinsamen Tagen und Nächten unterwegs, waren wir über das
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