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Alles total groovy hier

Alles total groovy hier

Titel: Alles total groovy hier
Autoren: Jörg Juretzka
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festsetzte.
    Allein schon deshalb hielt ich also Ausschau nach einem freien Plätzchen zwischen den ganzen stillgelegten, aufgebockten, für immer vor Anker gegangenen Immobilheimen, denn ich würde das Ding unter keinen Umständen wieder nach Hause steuern. Aber es bot sich keine Lücke. Einmal mach ich dich noch an, dachte ich, zerrte am Startknopf, orgelte den Anlasser und spürte die ganze Fuhre schaukeln, als der gusseiserne Klotz von Motor endlich ansprang. Dann klopfte ich den Gang rein und rollte die Karre neben all die Surfmobile. Ging mir doch am Arsch vorbei, wofür mich die Wasserratten hielten. Der Abend kam. Die Sonne schwand. Die Hitze blieb. Zikaden begannen zu zirpen, bis man zum DDT greifen wollte.
    Scuzzi erschien, heiter, gelöst, enorm gesprächig. Wenn auch auf eine verschleppte Art, die an interplanetare Telefongespräche denken ließ. Jeder zweite Satz begann mit >Wasich nicht kapiere<, und ich fand es von Mal zu Mal schwieriger, ihn nicht dafür anzuschreien.
    »Was ich überhaupt nicht kapiere, ist ... « Pause, lang genug, um sich die Nägel an Fingern und Zehen zu schneiden, das abendliche Fernsehprogramm bis in die Nischensender zu sondieren, oder um rauszugehen, ein Loch zu graben, zurückzukommen und Scuzzi kopfüber hineinzustopfen, »... warum wir nicht einfach rumfragen, ob Schisser hier irgendwo ist.«
    »Weil,wenn Schisser hier irgendwo wäre, er sich wie verabredet regelmäßig bei dir oder Charly melden würde.«
    Je länger, je öfter ich darüber nachdachte, desto näher tastete ich mich an den Gedanken heran, dass Schisser etwas zugestoßen sein musste.
    »Hast du schon mal daran gedacht ... ?«
    Ich zählte bis zehn. »Ja?«, fragte ich dann, etwas lauter als sonst.
    »... dass er eventuell durchgebrannt sein könnte, mit der Knete?«
    Hundertachtzigtausend, immerhin. Trotzdem schüttelte ich den Kopf. Schisser war Biker, wie man dunkelhaarig ist, oder hellhäutig, Links-oder Rechtshänder. Mitglied einer Rockergang zu sein war für ihn ebenso natürlich wie zwangsläufig, es war wie angeboren. Der Betrag, für den er seine Identität als Stonnfucker aufgeben würde, war nicht in Zahlen auszudrücken.
    »Ich fürchte vielmehr«, sagte ich langsam, »dass er tot ist. Ermordet.« Da,jetzt war es ausgesprochen.
    »Achwas«, sagte Scuzzi dann. Pause. »Nicht Schisser.«
    Es war, musste ich zugeben, nur schwer vorstellbar.
    Wenn ich irgendjemanden kannte, auf den das Attribut micht umzubringen< passte, dann auf diesen zweibeinigen Aggressionsstau.
    »Aber vielleicht hatte er ... « Erneute Pause. Ich blickte ihn an. Dachte an eine zusammengerollte Zeitung und daran, sie ihm bei jeder weiteren Verschleppung eines Satzes über den Schädel zu dreschen.
    »... einen Unfall. Du weißt, wie er fährt.«
    Ja, ich wusste es. Schisser fährt eine Buell, und er fährt sie den Erfordernissen des Straßenverlaufs angepasst entweder mit dem Knie auf dem Boden oder abwechselnd mit dem Vorder-oder Hinterrad in der Luft, und das von morgens bis abends. Doch erstens macht er das seit über zwanzig Jahren und zweitens hatten wir das alles schon während der Fahrt durchgekaut. Wieder und wieder. Schisser hatte Papiere. Und sein Motorrad ein Kennzeichen. Selbst wenn er also in einem Krankenoder Leichenschauhaus gelandet wäre, hätte sich inzwischen bestimmt jemand die Mühe gemacht, die Polizei in Mülheim zu informieren. Das wiederum wäre sicherlich Hauptkommissar Menden zu Ohren gekommen, und Menden, neu ernannter Leiter der Abteilung >Bandenkriminalität<, lässt keine Gelegenheit aus, Charly zu Stonnfuckers-Angelegenheiten zu verhören. Nichts davon war bis heute geschehen.
    »Was ich nicht kapiere ... « Pause.
    Das Blöde war, ich hatte keine Zeitung. Ich begann mich zu fragen, ob eine Bratpfanne nicht sowieso das geeignetere Instrument wäre. »... ist, wie Schisser sich bei mir melden soll, wenn mein Handy weg ist. Ich kann es nirgendwo finden.«
    Sollte ich ihm sagen, dass ich es hatte? Nein. Je weniger Scuzzi wusste, desto geringer war die Chance, dass er sich irgendwo verplapperte. Diese mehr oder weniger gekonnt beiläufig gehaltene Befragung durch Leroy ging mir nicht aus dem Kopf. Was der fette Hippie hatte erfahren wollen, war, ob wir hier jemanden suchten. Das wiederum verstärkte mein Gefühl, Schissers Fährte direkt vor Augen zu haben. Ich sah sie nur noch nicht. Ich ließ Scuzzi einfach sitzen und machte das, was ich die ganze Zeit schon vorgehabt hatte.
    An einem Laternenmast
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