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Alles total groovy hier

Alles total groovy hier

Titel: Alles total groovy hier
Autoren: Jörg Juretzka
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und jeder suspekt, und wenn sie noch so friedensbemüht auftraten.
    Schisser, dachte ich, wieso hast du mich hergelotst? Wieso gerade hierhin? Zu den ganzen dir so verhassten Gutmenschen? Sprich mit mir.
    Doch Schisser schwieg. Nur Bob Marley leierte etwas, das in meinen Ohren immer wie >feiern, eiern, reihern< klingt.
    Das brachte den Gedanken an geistige Getränke zurück. Ich brauchte ein Bier. Dringend.
    Es bimmelte, und da war jemand im Wachhäuschen der Rezeption.
    »Hi, ihr Freaks«, rief sie, hängte das Glöckchen an den Haken, ließ ihre blauen Augen und ihre weißen Zähne blitzen und saugte Scuzzi und mich damit ruckartig vor ihre Theke.
    Sie war etwa Anfang zwanzig und von den nur lässig gebändigten Löckchen mit den eingeflochtenen Blümchen bis zu den von Kettchen umschmeichelten bloßen Füßen komplett auf Hippie-Queen kostümiert. Bezaubernd. Vielleicht ließ es sich hier ja doch aushalten. Vielleicht waren meine Beklemmungen unbegründet.
    Scuzzi hob seine Ray-Ban in die Stirn, dann zwei gespreizte Finger in die Höhe und raunte: »Peace.«
    >Fremdscham< nennt man das Gefühl, wenn sich ein Freund neben einem gerade komplett zum Affen macht.
    »Love«,antwortete das Mädchen, und die beiden teilten einen Anfall ungemeiner Heiterkeit.
    >Missgunst< ist so ein anderes Gefühl, das einen schon mal packen kann.
    Sie hieß Vishna und ihr farbenfrohes, ärmelloses Kleid war an allen Rändern mit weißen Rüschen verziert. Vor allem an denen des großzügig bemessenen Ausschnitts vorne.
    »Vishna?«, fragte Scuzzi. »So wie ein weiblicher Gott Vishnu?«
    Augen nieder, zartes Lächeln. »Wenn du so magst ... «
    Hoppla, war das eine Andeutung von Unterwürfigkeit?
    >Hey,Perle, was ist, kommst du mit rüber in den Hymer, Crack rauchen, Schnaps saufen und rammeln, bis wir beide nicht mehr können?< - >Wenndu so magst ... <
    »Ihr müsst leider diese Anmeldebögen ausfüllen«, fuhr sie ernsthaft fort und reichte Scuzzi zwei Pappkarten.
    »Die Einwanderungsbehörde sitzt uns deswegen dauernd im Nacken.«
    Zarter hellblonder Flaum, da, wo ihr die Einwanderungsbehörde dauernd saß. Flaum, wie man ihn gern in der Nase kitzeln spüren möchte.
    Scuzzi drückte mir meine Karte und einen Kuli in die Hand.
    »Woher hast 'n du die Blumen im Haar?«, fragte er Vishna.
    »Aus unserem Garten.«
    »Welcher Garten? Ich hab hier noch gar keinen gesehen.«
    »Der ist auch gut versteckt. Aber vielleicht zeig ich ihn dir ja mal ... «
    »Seit wann interessierst du dich für Grünzeugs?«, fragte ich dazwischen.
    »Botanik«, belehrte er mich, »und Pharmazeutik liegen erstaunlich eng beieinander.«
    »Da hast du wohl recht«, meinte Vishna mit einem verschwörerischen Lächeln. Sie war wirklich bezaubernd, wie sie so abwechselnd mit ihren Wimpern wedelte und ihre Wangen aufleuchten ließ. Doch war sie in erster Linie bezaubernd zu Scuzzi, was mir ein bisschen die Flamme unter die Galle hielt.
    »Ihr seid das erste Mal hier?«
    Nicken, synchron.
    »Nun, ihr werdet sicher bald merken, dass dies ein ganz besonderer Ort ist.«
    »Oh, du, das spürt man sofort«, behauptete Scuzzi. »Alles scheint hier in einem guten, runden Beat zu schwingen.«
    Ich schob ihm den Kuli und Vishna meine ausgefüllte Papp karte zu.
    »Ja, wirklich total groovy«, bestätigte ich mit der mir eigenen, feinen Ironie. Vishna lächelte ihr bezauberndes Lächeln. Doch immer noch nur für Scuzzi. Mir war danach, ihn auszuknocken, von den Beinen zu kicken und dann möglichst nonchalant seinen Platz einzunehmen.
    »Und um dieses Feeling zu bewahren, ja, um es zu schützen, muss ich euch bitten, eure Handys bei mir abzugeben. Wir empfinden Handys als belastend, als zehrend.«
    Mir wanderte eine Braue die Stirn hoch.
    »Für die Spiritualität des Ortes«, fügte sie hinzu, bevor ich fragen konnte.
    »Genau das habe ich auch immer schon gesagt, oder?«, tönte ich, stieß Scuzzi den Ellenbogen in die Rippen, und sein Handy wechselte von seiner in meine Hosentasche. »Deshalb besitze ich erst gar keins.« Wer mir den Kontakt zur Außenwelt beschneiden will, muss sich was Überzeugenderes einfallen lassen als die verkackte Spiritualität des Ortes.
    »Und du?«, fragte sie Scuzzi, der über der Sparte >Beruf< in seiner Anmeldung brütete. Ohne auch nur einen Ansatz von Widerspruch griff er in seine Hosentasche, stutzte, klopfte dann alle anderen ab.
    »Hm«,meinte er verwundert. »Muss ich wohl im Auto gelassen haben.«
    »Warum gehst du es nicht suchen?«,
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