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Schlechte Gesellschaft

Titel: Schlechte Gesellschaft
Autoren: Katharina Born
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Nässe schmutzig gewordenen Fassade für die Gegend ungewöhnlich vornehm. Geschnitzte Verzierungen begrenzten das Schieferdach, die hohen Fenster waren teilweise mit Läden verschlossen, eine Steintreppe führte vom Kiesweg zum Eingang. Auf der obersten Stufe vor der mächtigen Tür lag ein brauner Dackel und betrachtete den Besucher ohne Interesse. Wieland überlegte, ob er es wagen sollte, über das Tier hinweg die Klingel zu drücken. Aber da schoss der Hund schon auf ihn zu.
    Â»Karel«, rief jemand mit rauher, fast heiserer Stimme aus demInneren des Hauses. Eine hochgewachsene Frau erschien in der Eingangstür. Ihre sehr aufrechte Haltung drückte Eleganz und Überlegenheit aus, aber auch etwas Lauerndes. Das aschblonde Haar war sicherlich gefärbt. Ihre transparent wirkende Schönheit, die dünnseidige Haut um ihre Augen ließen ahnen, dass sie weit über sechzig sein musste.
    Â»Guten Tag …« Der Dackel begann zu kläffen.
    Â»Wer sind Sie?«
    Â»Andreas Wieland von der Universität in Duisburg«, rief er gegen das Bellen an. »Ich arbeite an einer Dissertation zu Gert Gellmann und suche seine Briefe an Peter Vahlen. Ich hatte geschrieben.«
    Â»Was haben Sie geschrieben? Wem haben Sie geschrieben?«
    Â»Ich habe Frau Vahlen geschrieben, dass ich vorbeikommen würde«, sagte Wieland nun etwas zu laut.
    Â»Aber Frau Vahlen hat Sie nicht gebeten, herzukommen, nicht wahr?«
    Â»Entschuldigen Sie. Auf Ihrer Karte schrieben Sie, wir müssten uns erst einmal kennenlernen. Deshalb dachte ich …« Endlich verstummte der Hund.
    Â»Entzückend!«, lachte die Frau auf. »Das war eine vage gestellte Bedingung, junger Mann, keine Einladung. Man fällt fremden Leuten nicht einfach ins Haus. Auch nicht, wenn diese sich für Blumen bedanken, um die sie nie gebeten haben.«
    Â»Entschuldigen Sie.« Wieland war froh, dass sie seine Blumen erwähnte. »Ich wollte Sie nicht stören. Ich dachte nur …«
    Â»Woher haben Sie überhaupt meine Adresse?«
    Er zögerte. »Die hat mir freundlicherweise der Herr vom Blumenladen verraten. Sie wissen ja, die Serie. Ich habe erfahren, dass sie hier in der Gegend spielt, und da dachte ich …« Er hatte jetzt das unangenehme Gefühl, tatsächlich zu weit gegangen zu sein. »Der Mann dachte sich bestimmt nichts dabei. Ich habe den Blumenstrauß für Sie bestellt, und da gab er mir die Lieferadresse.«
    Â»Die Leute aus Sehlscheid denken sich nie etwas dabei.« DieWitwe betrachtete ihn von oben bis unten. »Hören Sie, Herr Doktorand«, sagte sie schließlich. »Sie scheinen mir nicht ganz dumm zu sein. Sie werden verstehen, dass ich keine Zeit habe für solche Dinge. Ich führe mein eigenes Leben. Der Nachlass meines verstorbenen Mannes ist völlig ungeordnet.«
    Â»Ich würde Ihnen gerne helfen, die Papiere zu ordnen. Für mich wäre das eine große Ehre.«
    Â»Gibt es in Ihrer Universität keine anderen Themen, mit denen Sie sich beschäftigen können? Hat Ihnen niemand gesagt, dass ich meine Ruhe haben will? Vielleicht hätten Sie sich erkundigen sollen, bevor Sie mich belästigen.«
    Wielands Haut begann zu brennen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so grob empfangen worden zu sein. Dabei hatte er gedacht, wenn er Hella Vahlen persönlich sprechen würde, könnte er ihr alles erklären.
    Wieland hielt sich für jemanden, der es verstand, Vertrauen herzustellen. Vor allem die Frauen wussten sein vorsichtiges Lächeln zu schätzen, die Zurückhaltung, die von seinem schweren, aber nicht unförmigen Körper ausging und die sie, wie er meinte, für ein Zeichen von Feinfühligkeit hielten. Er fand auch nicht, dass sie sich täuschten. Er war nur immer wieder erstaunt, wie bereitwillig sich ihm Menschen zuwandten, die ihn kaum kannten.
    Das Gefühl, die Witwe halte seine jahrelange Arbeit, das Ansammeln der Materialberge und Archivrecherchen, das mühsame Entziffern von Handschriften für eine beliebig auswechselbare Tätigkeit, ärgerte ihn. Ihm fehlten nur noch Vahlens Briefe. Monate hatte er gebraucht, um allein den Wohnort der Erben herauszubekommen. Nun sollte die Willkür der Witwe über die Qualität und Vollständigkeit seines gesamten Forschungsprojekts entscheiden. Dabei war sie lediglich die Frau, die Peter Vahlen einmal geheiratet hatte. Und auch wenn Vahlen
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