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SCHLANGENWALD

Titel: SCHLANGENWALD
Autoren: Ilona Mayer-Zach
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keine Berufsbezeichnung. Darunter seine E-Mail- und Internet-Adresse. Paula hätte gern gewusst, was er von Beruf war. Doch sie zügelte ihre Neugier. Auf seiner Homepage würde sie mehr erfahren.

     
    3.
    Zu Hause angekommen, startete Paula sofort den Laptop. Keine Nachricht von Markus. Nur eine E-Mail von Clea, die ihr mitteilte, dass sie abends mit Freunden ins Kino ging. Paula hätte gern mit ihr bei einer Tasse Tee über Gott und die Welt, über Männer und Costa Rica geplaudert. Kurt war noch immer nicht zurück. Ein einsamer Sonntagabend zeichnete sich ab.
    Paula trank den Tee allein, aß zu viel vom Kuchen, den ihre Mutter ihr eingepackt hatte, und rief die Website von Bernd Lowel auf. Finanzanalyst, Doktor der Betriebswirtschaften. Was machte ein Finanzanalyst? Die Antwort fand Paula unter dem Menüpunkt Prognosen: Doktor Lowel beobachtete und bewertete Aktien, Bilanzen und Kapitalmärkte, basierend auf internationalen Recherchen, Statistiken und anderen relevanten Daten. Aus Trends zog er Schlüsse über das ökonomische Umfeld eines Unternehmens. Auf einer der Grafiken waren rote und blaue Linien zu sehen. Paula fehlte der Durchblick.
    Sie klickte auf die biografischen Daten. Bis auf eine Auflistung aller Ausbildungen und spezieller Zusatzqualifikationen – Lowel sprach unter anderem fließend Englisch, Französisch und Spanisch – stand hier nichts. Alles wirkte sehr sachlich, um nicht zu sagen trocken.
    Paula verließ die Seite und googelte nach Bernd Lowel. Der Name tauchte bei den Veranstaltungshinweisen mehrerer großer Industrieunternehmen auf.
    Der Mann hatte nicht wie ein nüchternes Finanzgenie auf sie gewirkt und sie hatte die Idee, das begonnene Gespräch andernorts fortzuführen, gut gefunden. Doch worüber sollte sie sich mit einem Börsenanalytiker unterhalten? Sie hatte manchmal nicht einmal genug Geld, um ihren Lebensunterhaltzu finanzieren. Nur seine originelle Telefonnummer – 01, die Vorwahl von Wien, und dann 234 67 89 – würde sie sich merken, ob sie wollte oder nicht.

Sechs
    Montag
    Markus reagierte weder auf Paulas E-Mails noch auf die Nachrichten, die sie auf seine Mobilbox sprach. Stattdessen rief Kandin an, um nachzufragen, ob es bei dem vereinbarten Termin zum gemeinsamen Abendessen blieb. Nach dem Frust mit Markus waren Kandins Bemühungen Balsam für Paulas Weiblichkeit. Er war ein interessanter Mann und hatte vom ersten Moment an keinen Zweifel daran gelassen, dass ihm Paula gefiel.
    Sie zog ihr kleines Schwarzes an, steckte die Haare hoch und schlüpfte in seidig glänzende, schwarze Strümpfe. Die Schuhe, die sie für diesen Abend auswählte, hatte sie bisher nur einmal getragen. Aus gutem Grund: Die eleganten Absätze machten zwar ein schönes Bein, waren jedoch für längere Gehstrecken völlig ungeeignet. Nachdem Kandin darauf bestanden hatte, sie höchstpersönlich von zu Hause abzuholen, war Paula zuversichtlich, die wenigen Schritte zum Auto und vom Parkplatz zum Restauranteingang mit ihren High Heels souverän zu meistern. Außerdem hatte sie die Hände zum Balancieren frei, denn die kleine chinesische Tasche mit den Stickereien hatte so lange Träger, dass Paula sie schräg umhängen konnte.
    Kandin fuhr pünktlich vor und stieg aus, um ihr die Autotür zu öffnen. In seinem schwarzen Schlitten fuhren sie durch die Stadt. Kandin roch gut, und alles, was er sagte, und noch viel mehr, was er unausgesprochen ließ, brachte Paulas Fantasie in Fahrt. Ihr war heiß und das lag nicht ausschließlich an der Außentemperatur.
    Sie fuhren ins „Lo Specchio“, wo Paula eine atemberaubende Mischung aus Haubenküche, künstlerischen Darbietungen, rotem Samt und glitzernden Lichtern in unzähligen Bleikristallspiegeln erwartete. Ein Kellner führte sie an einen Zweiertisch, etwas abseits von den Artisten. Kandin konnte seine Augen nicht von ihr lassen und sie genoss das Gefühl, von einem Mann wie ihm, nach dem sich die Frauen im Raum umdrehten, umworben zu werden. Er strahlte jene natürliche Autorität aus, die Männer umgab, die es gewohnt waren, tagtäglich bedeutsame Entscheidungen zu treffen. Sie genoss es, dass er sie in dieses exquisite Lokal geführt hatte, und verdrängte jeden Gedanken an Markus.
    Anfänglich unterhielten sie sich über die bevorstehende Abwicklung des Projekts. Es kam Paula vor, als ob es keine Frage gäbe, auf die Kandin nicht eine kluge Antwort wusste. Möglicherweise lag es aber auch daran, dass Paulas intellektuelle Ansprüche mit jedem
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