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SCHLANGENWALD

Titel: SCHLANGENWALD
Autoren: Ilona Mayer-Zach
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Vergangenheit rückte.

Sieben
    Ende September, Donnerstag
    Paulas Abflug wurde für Ende September fixiert. Die Befürchtung, Kandin könnte gemeinsam mit ihr den Flug antreten, hatte sich nicht bewahrheitet – er musste bereits eine Woche vor ihr nach Costa Rica reisen. Sie hatte nach dem desaströsen Abend nur ein kurzes Telefonat mit ihm geführt, in dem sie sich für ihr Unwohlsein und den überstürzten Aufbruch entschuldigt hatte. Sie waren bei der Anrede ganz selbstverständlich wieder zum Sie gewechselt, was Paula sehr recht war. Never fuck the office – Finger weg von Arbeitskollegen – lautete ihre Devise. Nur knapp hatte sie diesmal noch die Kurve gekratzt.
    Santo hatte ihr beim letzten Treffen einen dicken Reiseführer geschenkt. Sie hatte sich bei ihm bedankt und zum wiederholten Mal versichert, dass sie alle wichtigen Unterlagen und Informationen eingepackt hatte und sicher nicht allein in den Urwald gehen würde, wo hochgiftige Schlangen auf sie lauerten. Das Versprechen fiel ihr nicht schwer: In Österreich gab es so viele Hektar Wald, die sie noch nie hatte durchwandern wollen, weshalb sollte sie sich plötzlich in Costa Rica durch Regenwälder kämpfen? Sie hatte ihm auch versprechen müssen, in San José abends nie allein durch dunkle und unbelebte Gassen und Straßenzüge zu bummeln, stets züchtige Hosen und T-Shirts zu tragen und ihre Handtasche besser zu Hause zu lassen.
    Clea hatte noch viel Interessantes im Internet gefunden und war froh, dass diesmal Kurt die Aufgabe übernahm, sich um Paulas Pflanzen zu kümmern. Dank ihrer unorthodoxen Bewässerungsmethoden waren sämtliche Pflanzen bisher entweder verdorrt oder verfault.
    Von Markus gab es nach wie vor kein Lebenszeichen. Paula hatte weiterhin versucht ihn telefonisch zu erreichen und ihm mehrere E-Mails geschickt, doch er hatte nicht reagiert. Es tat ihr leid, dass sie ihm an jenem Abend so viel Negatives an den Kopf geworfen hatte. Doch die Art und Weise, wie er sie seither links liegen ließ, so ganz ohne Aussprache, enttäuschte sie. Wenigstens brauchte sie ihm gegenüber kein schlechtes Gewissen zu haben, was den Abend mit Kandin betraf. Sollte Markus doch bleiben, wo der Pfeffer wuchs! Sie fuhr für zwei Wochen in ein weit entferntes Land, in einen anderen Kulturkreis. Vor ihr lag ein Abenteuer, das sie sich von niemandem madig machen ließ. Sie hoffte nur inständig, dass Kandin sie nicht auf den Abend in Wien ansprechen oder gar einen erneuten Annäherungsversuch unternehmen würde.
    Das Flugzeug beschleunigte auf der Rollbahn. Paula schloss die Augen. Fliegen war noch nie ihr Ding gewesen. Am liebsten war ihr der sichere Boden unter den Füßen. Das Einzige, was ihr gefiel, waren die Starts: das Dahinjagen des Flugzeugs, die Schwerkraft, die sie in den Sitz drückte, und dann dieses fantastische Gefühl abzuheben, zu fliegen, immer höher in die Lüfte. Doch bald danach stellte sich die lähmende Erkenntnis ein, dass sie tausende Flugkilometer hinter sich bringen und einen ganzen Tag – nur unterbrochen durch zwei Zwischenstopps in London und Miami – in der Luft verbringen musste.
    Dankbar nahm Paula ein Glas Sekt von der Stewardess in Empfang. Bis London wollte sie durchhalten, doch hoffte sie, dass es ihr beim unendlich scheinenden Flug über den Atlantischen Ozean gelingen würde, nach zwei, drei Gläsern Sekt einzuschlafen. Das war es ihr wert. Ebenso wie die Kopfschmerzen beim Aufwachen, wenn sie dafür den Großteil der Flugzeit im Land der Träume verbringen konnte.
    Paula nahm eine Tageszeitung zur Hand. Das innenpolitische Hickhack interessierte sie nicht. Immer wurde über ähnliche Inhalte geschrieben, nur mit ständig wechselnden Protagonisten. Die Wirtschaftsseiten füllten seit Monaten die Finanzkrise und ihre Auswirkungen: Wieder sperrte ein österreichisches Traditionsunternehmen zu und über zweihundert Menschen verloren mit einem Schlag ihren Arbeitsplatz. Markus fiel ihr ein. Ob seine Kündigung schon ausgesprochen worden war? Die Angst um seinen Job war sicher auch ein Grund, warum er in letzter Zeit so empfindlich gewesen war. Sie blätterte weiter auf die Auslandsseiten.
    „ Vermisste Cessna gefunden: Alle Insassen tot“ , stand da.
    Ausgerechnet, wenn sie im Flugzeug saß, musste sie über dieses Unglück in der Zeitung lesen.
    Rasch wollte sie weiterblättern, doch ihr Blick blieb an den Worten Costa Rica hängen. Sie erinnerte sich an den Einspalter über den Absturz eines Kleinflugzeuges und ihr
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