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SCHLANGENWALD

Titel: SCHLANGENWALD
Autoren: Ilona Mayer-Zach
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Frizzante ein. Ihrer beider Lieblingsgetränk.
    „Ich bin stolz auf dich! Du machst schon das Richtige!“, prostete sie Paula zu. Die konnte nicht anders, als sie zuumarmen. Was für ein Glück, dass das Schicksal sie als ihre Mutter auserwählt hatte und nicht jemanden wie Tante Irma.
    Diese verabschiedete sich kurz darauf überraschend früh, noch vor der Nachmittagsjause. Sie werde beim Bridge erwartet, gab sie als Grund für den raschen Aufbruch an. Paula wunderte sich, dass es Leute gab, die freiwillig Zeit mit Tante Irma verbrachten. Wahrscheinlich fehlte ein vierter Spieler und frei nach dem Motto: besser ein mühsamer Mitspieler als gar kein Spiel, nahm man sogar Tante Irma in Kauf.
    Das Bedauern über ihren Abschied hielt sich bei den Enders in Grenzen.
    „Habt ihr zwei in der Küche etwas Unfreundliches zu Irma gesagt?“, fragte Paulas Vater. „Sie wollte sich etwas zu trinken holen und kam dann so einsilbig zurück.“
    Paula und ihre Mutter sahen sich an. Tante Irma war gar nicht in die Küche gekommen. Hatte die Tante vor der Tür gelauscht und gehört, was sie über sie gesagt hatten? Auch egal, dachte Paula. Es war nicht nett von ihnen gewesen, aber es war die Wahrheit und wer ständig über andere Leute herzog und sie mit Worten verletzte, durfte sich nicht wundern, wenn ihm nach und nach die Sympathien abhandenkamen.

     
    2.
    Paula fuhr mit dem Zug nach Wien zurück. Die Fahrt würde ein bisschen mehr als eine Stunde dauern. Lesestoff hatte sie keinen mitgenommen. Den brauchte sie nicht bei Zugfahrten. Während draußen die Landschaft vorüberzog, konnte sie ihren Gedanken nachhängen. Oder sich Geschichten über die Mitreisenden ausdenken.
    Außer ihr saß nur ein etwa gleichaltriger Mann im Abteil, der ohne Unterlass auf die Tastatur seines Laptops hämmerte. Zuerst hatte sie gedacht, dass er am Computer spielte, denn er lachte immer wieder laut auf. Aber als sie auf die Toilette ging und einen Blick auf den Bildschirm erhaschen konnte, sah sie, dass er an einem Text schrieb. Schon wieder ein Journalist? Paula nahm sofort eine Abwehrhaltung ein. Nach zwei traurigen Erfahrungen war sie dieser Berufsgruppe gegenüber im Moment eher skeptisch eingestellt. Oder war er ein Jurist, ein Professor? Nein, dafür war der Mann zu jung und amüsierte sich zu sehr über das, was er da in die Tasten tippte. Vielleicht war er ein Autor? Einer von jenen, die schräge Geschichten schrieben? Das würde einiges erklären.
    Auch Paula hatte vor einiger Zeit begonnen, an einem Roman zu schreiben. Aber nun lagen die Seiten seit Monaten in der Schublade. Die wenigen Kapitel, die sie in den Laptop getippt hatte, gefielen ihr nicht mehr. Vielleicht war es an der Zeit, sie wieder zur Hand zu nehmen und zu überarbeiten? Genügend Gelegenheit würde sie dieser Tage haben. Zumindest an den Abenden, die sie fortan ohne Markus’ Gesellschaft verbringen musste. Was hatte er am Telefon gesagt?
    „Ich bin so wie ich bin. Entweder du akzeptierst das oder nicht.“ Aus. Vorläufiges Ende der Beziehung mit Markus. Er ließ nicht mehr mit sich reden.
    Soll er doch bleiben, wo der Pfeffer wächst, dachte Paula. Vielleicht hätte sie schon von Anfang an sagen sollen, was sie störte, anstatt es zu dulden und ihm dann alles auf einmal vorzuwerfen. Aber im Nachhinein war man immer klüger.
    Wenn etwas zu kompliziert beginnt, sollte man lieber die Finger davon lassen, war Cleas Meinung. Vielleicht hätte Paula auf sie hören sollen. Viel komplizierter als ihre Beziehung mit Markus konnte ein Liebesverhältnis kaum anfangen: Es hatte eine Verkettung von Missverständnissen gegeben. Trotzdem hatten sie eine schöne Zeit miteinander verbracht. Das sollte nun alles Vergangenheit sein?
    Bevor sich Wehmut in ihr ausbreiten konnte, ließ Paula ihre Gedanken zu Kandin schweifen. Ein Mann in den besten Jahren, erfolgreich, gut aussehend und: Er trug keinen Ehering. In den nächsten Wochen würde sie mehr Zeit mit ihm verbringen, als sie das jemals mit Markus getan hatte. Zwei Wochen in einem fernen Land. Da konnte einiges passieren. Noch dazu legte sich Kandin schwer ins Zeug, um sie zu beeindrucken. Zumindest kam es ihr so vor. Nach dem Treffen in der Firma hatte er sich bereits bald darauf telefonisch bei ihr gemeldet, um sich nochmals für die kurze Besprechung zu entschuldigen und sie zu einem Abendessen in der folgenden Woche einzuladen. So hofiert hatte Markus sie nie. Ganz zu schweigen von Einladungen zum Essen. Wenn Markus und sie
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