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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf
Autoren: Ulrich Ritzel
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Nachrichten, die muntern ihn für ein oder zwei Tage auf – als Mesic in Basel verhaftet wird, ist das so gewesen, oder als Carla Jankewitz in einer schriftlichen Erklärung eingestand, dass sie dem Bundesnachrichtendienst regelmäßig über Fausser berichtet hat und also auch über den Anruf des Kellners Zlatan Sirko …
    Das heißt, die Aufmunterung hielt da nur einen knappen Tag, und am Abend hockte schon wieder die Depression auf seiner Schulter, die davon auch nicht gesünder wurde. Und dass der Bund dann immerhin 50 000 Euro Schmerzensgeld an die Familie Aydin geleistet hat, »ohne Anerkennung einer Rechtspflicht«, wie es in solchen Fällen heißt – das hat ihn nur noch tiefer in die Depression gedrückt.
    »Fünfzigtausend Euro!«, hatte er gesagt. »Ein lächerlicher Betrag für ein Menschenleben … der Regierungsdirektor Hornisser gehört vor Gericht, als Anstifter zum Mord …«
    Aber Hornisser hatte sich ohne große Mühe herausreden können. Gewiss habe er die Information über die Enttarnung von Mesic alias Kirstejn weitergegeben, aber nur, um jenem nahezulegen, sich endlich selbst dem Gericht in Den Haag zu stellen … Freilich, der BND-Beamte, der sich die Pistole hat abnehmen lassen, mit der Olga auf Berndorf schoss, der hat richtigen Ärger bekommen.
    Sie kommt die Treppe hoch, er erwartet sie an der Tür, wie er das meistens tut, ein älterer Herr in Jeans und einem schwarzen T-Shirt, es sieht an ihm nicht einmal affig aus. Er wirkt gelöster als sonst, sie kann ein wenig aus dem Institut erzählen, über Vorhaben, die wieder nicht oder noch nicht genehmigt wurden, über die Dissertation einer ihrer Studentinnen, eine wunderbare Arbeit, wäre sie nicht in einem so schrecklich bürokratischen Deutsch geschrieben!
    Auf dem Rechaud steht Tee, sie nimmt eine Tasse und fragt, ob sie wohl gleich nach Blengow fahren sollen, aber Berndorf sagt, er habe Hunger und außerdem in Wannsee ein kleines Lokal am Ufer gefunden, er würde sie gerne dorthin einladen. Barbaras Begeisterung schäumt nicht über, aber sie ist einverstanden und will nur kurz duschen. Sie ist schon auf dem Weg zum Bad, dann siegt aber doch ihre Neugier. Sie bleibt stehen und dreht sich um.
    »Irgendein Knoten ist aufgegangen«, fragt sie, »welcher?«
    »Ich weiß nicht, was du meinst«, antwortet er. »Aber Post ist gekommen, fast hätte ich es vergessen.« Er steht auf und holt aus seinem Zimmer ein Filmplakat und rollt es auf. »Es ist ein Reprint, aber ich werde es trotzdem aufhängen.« Das Plakat zeigt John Wayne mit der Winchester und James Stewart und Lee Marvin und hat den französischen Titel: L’homme qui tua Liberty Valance . Auf der Rückseite sind mit Filzschreiber zwei Worte geschrieben: Danke! André
    »Eine Kinderschrift ist das nicht mehr«, sagt sie, etwas zurückhaltend, denn der accent aigu schwebt ihr fast zu kühn auf dem e von André. »Und von wo ist das gekommen?«
    »Aus Paris«, antwortet er und zeigt die Papprolle, in der das Plakat versandt worden ist.
    E ine knappe Stunde später sitzen sie in dem Restaurant am Wannsee, der Ober hat sie zu einem reservierten Tisch geleitet, es ist ein adrettes Lokal, der Service professionell, der Ober empfiehlt einen Zander aus der Müritz, aber auch Rücken vom Wildschwein, da reagiert Berndorf aber deutlich ablehnend, also entscheidet man sich für den Zander, und der ist auch wirklich frisch. Irgendwann stimmen sie darin überein, heute Abend nun doch nicht mehr zu fahren, das bedeutet, dass sie eine Flasche Wein bestellen können. Eine Weile sprechen sie über André und dass sein Gruß so etwas wie ein Signal ist, aber was für eines?
    »Dass er jetzt Flagge zeigen kann«, meint Berndorf.
    Barbara ist etwas skeptischer, aber das will sie nicht zeigen. Nach dem Nachtisch nimmt sie einen weiteren Anlauf und fragt, wie denn nun sein Tag gewesen sei.
    »Ich weiß nicht so recht«, kommt die Antwort. »Im Wald hab ich einen Förster getroffen, und wir sind ins Gespräch gekommen, einfach so. Über die Wildschweine zum Beispiel, die Förster hier kriegen nämlich die Population nicht mehr unter Kontrolle …«
    Barbara runzelt die Stirn. Was hat er da für ein Thema aufgetan und warum? Sie sieht zu, wie er hinter sich in die Tasche seiner Leinenjacke greift, die er über die Stuhllehne gehängt hat, und etwas herauszieht, das bläulich durch die Plastikhülle schimmert, in die es verpackt ist. Er zeigt es ihr, aber es widerstrebt ihr, es aus der Hülle zu nehmen.
    »Das
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