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Schlangenkopf

Schlangenkopf

Titel: Schlangenkopf
Autoren: Ulrich Ritzel
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ein paar Buchstaben ein. »Wo sonst?«
    »Ich nehme an, ursprünglich wollten Pullach und der General Mesic unter sich bleiben. Waren Sie es, der darauf bestanden hat, dass auch die Abgeordneten ihren Anteil bekommen?«
    »Nein«, leuchtet es auf dem Bildschirm auf.
    »Also Ulrich Eschle?«
    »Nächste Frage.« Auch für diese Antwort braucht Fausser nur einen Befehl.
    »Wie Sie meinen.« Berndorf lehnt sich ein wenig zurück und beginnt, mit der rechten Hand die linke zu kneten und zu massieren. »Haben Sie und Eschle eigentlich deshalb auf diesem Besuch im Lager Dretelj bestanden, um deutlich zu machen, dass Sie sich auch quer legen können? Dass es wirklich besser ist, Sie ins Boot zu holen?«
    »Nächste Frage.«
    Berndorf lacht. »Jetzt spielen Sie den Politiker, der Sie nicht mehr sind. Nun waren Sie mit diesem Deal aber gar nicht so richtig einverstanden. Vielleicht war Ihnen die brüderliche Waffenhilfe ein paar Nummern zu großherzig ausgefallen. Es kamen ja immer wieder Nadelstiche von Ihnen. Nadelstiche gegen EuroStrat, Nadelstiche wegen der gebirgstauglichen Hubschrauber, die die Bundeswehr nicht mehr hat und jetzt dringend bräuchte ….«
    »Ihre Frage?«, leuchtet es auf dem Bildschirm auf.
    »Warum nur Nadelstiche?«
    Die Hand setzt zu einer Antwort an, dann löscht sie den Text wieder. Schließlich erscheint: »Das Mögliche tun.«
    Ei ja!, denkt Berndorf. Das Verantwortungsethos des Politikers. Dicke Bretter bohren! Mit ruhiger Hand! Mit Augenmaß!
    »War Jörg Matthaus der Strohmann, der Ihren Anteil an dieser Basler Gesellschaft, dieser Hephaistos, gehalten hat?
    »Nächste Frage.«
    »Und Sie haben kein Geld aus Basel bezogen?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    Fausers Hand irrt über die Tastatur. Schließlich leuchtet eine Antwort auf: »Spenden. Wahlkampf.«
    Berndorf nickt. Es gibt nichts mehr zu fragen. Spenden. Wahlkampf. Aber ja doch. Irgendwann kann jeder das Geld brauchen, das ihm zugeschoben wird. Und nimmt es. Für den Wahlkampf. Vielleicht für das eigene Haus, das immer ein wenig teurer wird als gedacht. Für die Familie, die nicht versteht, warum man sich nichts leisten darf, wenn der Vater doch im Bundestag sitzt.
    »Den großen Reibach hat ja Matthaus gemacht. Als er bei Oheymer & Jaumann eingestiegen ist – hat er da eigentlich gewusst, dass die Landesbank früher oder später den Laden übernehmen wird?«
    »Nächste Frage!«
    »Er wusste es, nicht wahr? Die Landesbank musste übernehmen, und zwar aus politischen Gründen. Bei einem Konkurs von Oheymer & Jaumann wäre sonst alles an den Tag gekommen. Die Lieferung der Panzer und der MiG-Jäger und der Hubschrauber aus den NVA-Beständen, und wer alles davon profitiert hat …«
    Wieder leuchtet der Monitor auf. »Danke für das Gespräch!«
    Berndorf betrachtet den Menschen neben sich, der schief und zusammengekrümmt in seinem Plaid liegt, die eine Hand immer noch an der Tastatur, die seine letzte Verbindung zur Außenwelt ist. Soll er Fausser erzählen, was sich General Mesic wirklich gedacht hat, damals an diesem heißen Tag in Dretelj? Dass Zlatan Sirko, der richtige Zlatan Sirko, danach gerade noch einen Tag zu leben hatte? Plötzlich fröstelt ihn. Er steht auf.
    »Es ist kühl geworden. Gehen wir hinein?«
    »Danke«, antwortet der Bildschirm. »Gute Nacht!«
    Und das wünscht auch Berndorf, wendet sich ab und geht über die Terrasse in den Aufenthaltsraum der Klinik und weiter in sein Zimmer, in der linken Hand die Spange, mit der er immer wieder das Zupacken und Loslassen trainiert.
    B arbara parkt das Auto im Hinterhof und atmet tief durch. Zeit, dass die Semesterferien beginnen! Als sie aussteigt, steht die Hitze des späten Juli-Nachmittags wie eine Wand vor ihr. Ein Glück, dass Wochenende ist, sie würden nach Blengow fahren und nackt in der Ostsee schwimmen, von der Datsche aus ist es nicht weit zu den Plätzen, wo man das tun kann. Sie überlegt, ob sie heute Abend noch fahren würden, und entscheidet, dass das Berndorf nach seiner Laune entscheiden soll.
    Nach seiner Laune? Ja doch. Er ist launisch geworden, findet sie. Die Kur im Allgäu hat seiner Schulter vielleicht genutzt, aber seiner Seele nicht gutgetan.
    Das Schlimmste sind die merkwürdigen Spaziergänge. Immer wieder fährt er mit der S-Bahn nach Wannsee und läuft durch den Wald, Barbara hat schon Schuldgefühle deshalb, es kommt ihr vor wie eine ständige Klage, warum kann ich keinen Hund dabeihaben? Weil deine Katze es nicht duldet, darum! Manchmal kommen
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