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Schlangen im Paradies

Schlangen im Paradies

Titel: Schlangen im Paradies
Autoren: Mary Higgins Clark
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das Flughafengelände. Alvirah lehnte sich, wohlig aufseufzend, in die brokatbezogenen Polster zu-rück. «Meine Güte, fühlt sich das aber toll an!»
    Elizabeth betrachtete die Hände ihrer Nachbarin. Verarbeitete Hände mit verdickten Knöcheln und Schwielen. An den kurzen, stumpfen Fingernägeln hatte weder die offensichtlich teure Maniküre noch der glänzende Nagellack etwas verschönern können. Die Neugier, die sie gegenüber Alvirah Meehan empfand, brachte sie vorübergehend von den ständigen Gedanken an Leila ab. Diese Frau gefiel ihr instinktiv – sie hatte etwas bemerkenswert Offenes, Anziehendes an sich –, doch wer war sie? Wie kam sie ausgerechnet nach Cypress Point?
    «Ich kann mich immer noch nicht dran gewöhnen», plauderte Alvirah munter weiter. «Ich denk mir, im nächsten Augenblick sitz ich wieder in meinem Wohnzimmer und nehme ein Fußbad.
    Jede Woche in fünf verschiedenen Häusern putzen, das ist kein Honigschlecken, kann ich Ihnen flüstern. Und der Job am Freitag war einfach das Letzte – sechs Gören und lauter Nieten, aber am schlimmsten war die Mutter. Und dann wurden bei der Lotterie die Nummern gezogen, und wir hatten alle. Willy und ich, wir konnten es gar nicht fassen. Nein … ‹Willy›, hab ich zu ihm gesagt, ‹jetzt sind wir reich.› Und er hat gebrüllt: ‹Und ob wir reich sind!› Sie müssen das doch im vergangenen Monat gelesen haben? Vierzig Millionen Dollar, und eben haben wir noch jeden Cent zweimal umgedreht.»
    «Sie haben vierzig Millionen Dollar in der Lotterie gewonnen?»
    «Wundert mich, daß Sie’s nicht gelesen haben. Wir haben den größten Lotteriegewinn gemacht, den’s im Staat New York je gegeben hat. Na, wie finden Sie das?»
    «Ich finde das großartig», sagte Elizabeth ernst.
    «Tja, und was ich als erstes tun wollte, das wußte ich haargenau, nämlich nach Cypress Point Spa gehen. Seit zehn Jahren hab ich dauernd davon gelesen und mir immer ausgemalt, wie’s sein müßte, wenn ich ’ne Zeitlang dort sein und mit all den be-rühmten Leuten zusammentreffen könnte.
    Normalerweise muß man ja Monate vorher reservieren, aber ich hab’s einfach so geschafft!» Sie schnippte mit den Fingern.

    Weil Min zweifellos erkannt hat, wie werbewirksam es ist, wenn Alvirah Meehan aller Welt von ihrem Wunschtraum er-zählt, einmal im Leben nach Cypress Point zu kommen, dachte Elizabeth. Min ließ sich nie eine Gelegenheit entgehen.
    Sie waren auf der Küstenstraße angelangt. «Das soll doch angeblich so ’ne herrliche Strecke sein», sagte Alvirah. «Na, mich reißt’s nicht vom Stuhl.»
    «Ein bißchen weiter wird’s atemberaubend», murmelte Elizabeth.
    Alvirah Meehan richtete sich auf, wandte sich Elizabeth zu und musterte sie prüfend. «Bei meinem dauernden Gequatsche hab ich doch glatt Ihren Namen überhört.»
    «Elizabeth Lange.»
    Die braunen Augen, die bereits durch die dicken Brillengläser vergrößert wurden, weiteten sich noch mehr. «Ich weiß, wer Sie sind – die Schwester von Leila LaSalle. Sie war meine Lieblingsschauspielerin. Ich bin genau im Bilde über Leila und Sie.
    Wie Sie beide nach New York gekommen sind, als Sie noch ein kleines Mädchen waren, das ist eine so schöne, rührende Geschichte. Zwei Abende vor ihrem Tod hab ich noch ’ne öffentliche Probe ihres letzten Stücks gesehen. Ach, das tut mir leid –
    ich wollte Sie wirklich nicht aufregen …»
    «Schon gut, ich hab bloß schreckliche Kopfschmerzen. Vielleicht wird’s besser, wenn ich mich ein bißchen ausruhe …»
    Elizabeth drehte den Kopf zum Fenster und strich sich über die Augen. Um Leila zu verstehen, mußte man diese Kindheit erlebt haben, diese Fahrt nach New York, die Angst und die Enttäuschungen … Und man mußte wissen, daß es alles andere als eine schöne, rührende Geschichte war, auch wenn es sich in der Zeitschrift People noch so gut las …
    Die Busfahrt von Lexington nach New York dauerte vierzehn Stunden. Elizabeth hatte sich auf ihrem Sitz zusammengerollt und schlief, den Kopf in Leilas Schoß. Sie war ein bißchen ver-

    ängstigt und traurig bei dem Gedanken an Mama, die bei ihrer Rückkehr das Haus leer vorfinden würde. Doch sie wußte auch, daß Matt sagen würde: «Trink erst mal ’nen Schluck, Schatz.»
    Dann würde er Mama ins Schlafzimmer ziehen, und bald darauf würden die beiden lachen und kreischen und die Sprungfedern ächzen und quietschen.
    Leila erklärte ihr, welche Bundesstaaten sie durchquerten: Maryland, Delaware, New
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