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Geliebte Rebellin

Titel: Geliebte Rebellin
Autoren: Amanda Quick
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Prolog
    Mitternacht
    London
    Charlotte sollte nie erfahren, was sie in den frühen Morgenstunden vor Anbruch der Dämmerung geweckt hatte. Vielleicht hatte ihr Unterbewusstsein im Schlaf das Quietschen einer Bodendiele oder die gedämpfte Stimme eines Mannes wahrgenommen. Ganz gleich, was auch immer die Ursache gewesen sein mochte, sie öffnete abrupt die Augen und setzte sich in ihrem Bett auf. Eine unerklärliche Unruhe überfiel sie, und ihr Körper war von einer bösen Vorahnung erfüllt.
    Die Haushälterin hatte ihren freien Abend. Winterbourne, ihr Stiefvater, kam derzeit nie vor dem Morgengrauen nach Hause. Charlotte wusste, dass sie und ihre Schwester Ariel allein im Haus waren.
    Aber gerade eben war jemand die Treppe heraufgekommen und über den Gang gelaufen.
    Charlotte schlug die Decken zur Seite und stand auf. Einen Moment lang hatte sie nicht die leiseste Ahnung, was sie als nächstes tun sollte.
    Wieder ächzte eine Bodendiele.
    Sie ging zur Tür, öffnete sie einen Spaltbreit und blickte den dunklen Korridor hinunter. Zwei Gestalten, die in lange, weite Mäntel gehüllt waren, standen im Schatten am Ende des Flurs vor Ariels Tür.
    Einer der Männer hielt eine Kerze in der Hand. Der Lichtschein fiel auf Winterbournes schwammiges verlebtes Gesicht.
    »Machen Sie schnell«, sagte Winterbourne, und seine Worte waren nur ein gepresstes Murren. »Und dann verschwinden Sie. Es dämmert schon bald.«
    »Aber ich will dieses seltene Vergnügen in aller Ruhe auskosten. Es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass sich einem die Gelegenheit bietet, in den Genuss einer echten Jungfrau von derart hervorragender Abstammung zu kommen. Vierzehn, sagten Sie? Ein gutes Alter. Ich gedenke, mir Zeit zu lassen, Winterbourne.«
    Charlotte unterdrückte einen erzürnten und furchtsamen Aufschrei. Die Stimme des zweiten Mannes klang wie ein geheimnisvoll gespieltes Musikinstrument und selbst dann noch voller Anmut und Eindringlichkeit, wenn sie zu einem Flüstern gedämpft war. Es war eine Stimme, die wilde Tiere beschwichtigen oder Choräle hätte singen können, und doch hatte Charlotte nie einen grauenerregenderen Klang gehört.
    »Sind Sie wahnsinnig geworden?« zischte Winterbourne. »Eilen Sie sich, und sehen Sie zu, dass Sie es schnell hinter sich bringen.«
    »Sie schulden mir eine ganze Menge Geld, Winterbourne. Sie rechnen doch gewiss nicht damit, Ihre Schulden begleichen zu können, indem Sie mir nicht mehr als ein paar Minuten mit meinem sehr teuer bezahlten kleinen Unschuldslamm zubilligen. Ich will mir mindestens eine volle Stunde Zeit dafür nehmen.«
    »Das ist völlig ausgeschlossen«, murmelte Winterbourne. »Das ältere Mädchen hat sein Zimmer am anderen Ende dieses Ganges. Sie ist die reinste Hexe. Absolut unbezähmbar, mit ihr kann niemand fertig werden. Und wenn sie wach wird, ist nicht abzusehen, was sie unternehmen wird.«
    »Das ist Ihr Problem und nicht meines. Schließlich sind Sie der Herr in diesem Haus, oder etwa nicht? Ich überlasse es Ihnen, sie mir vom Hals zu halten.«
    »Und was, zum Teufel, erwarten Sie von mir für den Fall, dass Sie das Mädchen wecken sollten?«
    »Schließen Sie sie in ihrem Zimmer ein. Fesseln Sie sie. Stecken Sie ihr einen Knebel in den Mund. Schlagen Sie sie bewusstlos Mir ist es egal, wie Sie diese Angelegenheit handhaben, solange Sie nur dafür sorgen, dass mein Genuss nicht beeinträchtigt wird.«
    Charlotte schloss lautlos ihre Schlafzimmertür, lehnte sich dagegen und sah sich mit wilden Blicken in ihrem mondhellen Zimmer um. Sie holte tief Luft, um die Panik abzuschütteln und ihren klaren Verstand wiederzufinden, und dann eilte sie über den Teppich zu einer Truhe, die dicht am Fenster stand.
    Sie rüttelte an dem Verschluss der Truhe, bis es ihr gelang, den Deckel zu öffnen und die beiden Decken herauszuziehen, die obenauf lagen. Der kleine Koffer, der die Pistole ihres Vaters enthielt, lag ganz unten auf dem Boden der Truhe.
    Charlotte hob den Koffer aus der Truhe. Sie legte ihn auf ihr Bett, öffnete ihn mit zitternden Fingern und zog die schwere Waffe heraus. Sie war nicht geladen. Daran ließ sich im Moment nichts ändern. Es fehlte ihr nicht nur an dem notwendigen Schießpulver und einer Kugel, sondern sie hatte jetzt auch keine Zeit dahinterzukommen, wie man die Pistole laden musste
    Sie ging zur Tür, riss sie weit auf und trat in den Flur hinaus. Ihr war klar, dass der Fremde, der Ariel vergewaltigen wollte, der gefährlichere der beiden
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