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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz
Autoren: Davic Pfeifer
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Hamburger Dom dreimal im Jahr aufgebaut wurde, schlug Mert zweimal mit seiner Rechten zu, schnell und hart. Stefan war k. o. und wurde von seinem Gurt im Sitz gehalten. Mert knetete seine Hand, spürte aber, dass sie nicht wieder gebrochen war. Dann fuhr er links in die Simon-von-Utrecht-Straße ab. Stefan hob seinen Kopf und stöhnte. Mert hielt vor dem Lokal der Albaner. Den Wagen parkte er schräg auf dem Bürgersteig. Mert wusste nicht, ob die Kneipe noch den Albanern gehörte, ob der Chef da war und ob sie ihn überhaupt wiedererkennen würden. Und was sie mit ihm machen würden, wenn sie ihn erkannten. Er ging um das Auto herum, zog Stefan vom Beifahrersitz und schleppte ihn durch die Tür.
    Der Laden sah unverändert aus. Hinter dem Tresen stand die Frau, der Mert den Queue aufs Ohr geschlagen hatte. Sie erkannte ihn nicht. Doch sie erkannte Stefan. Sie drückte einen Knopf hinter dem Tresen, und Sekunden später ging die Tür ohne Klinke am Ende des Raumes auf.
    Der große der beiden Albaner öffnete sie. Er schritt auf Mert zu. Als er näher kam, sah Mert die Narben in seinem Gesicht. Sie sahen aus wie Krater, er hatte sie nicht nähen lassen.
    »Dich ich kenne auch«, sagte der Albaner zu Mert, Stefan beachtete er nicht weiter.
    »Ich hab das nicht verbockt«, sagte Mert, »aber ich will einfach nichts mehr mit der Sache zu tun haben.«
    Der Albaner blickte auf Stefan. Dann wartete er ab, was Mert zu sagen hatte.
    »Der Typ und sein Auto, dafür haben wir nichts mehr miteinander zu tun«, sagte Mert.
    Der Albaner dachte nach. Dabei sah er Mert in die Augen, ohne die geringste Regung zu zeigen.
    »Was machs du, wenn ich sage nein?«
    »Nichts. Du hast eine Waffe, nehme ich an. Ich hab nur den hier.«
    Der Albaner nickte zweimal langsam.
    »Is fair.«
    Mert schritt rückwärts zur Tür, der Blick des Albaners folgte ihm. Mert legte den Autoschlüssel auf das Ende des Tresens und sah Stefan ein letztes Mal an. Dann drehte er sich um und ging hinaus in die Freiheit.
    Am nächsten Tag sagte er Ali vor dem Training, dass er bereit sei für Thailand. Noch einmal wegkommen, ein Abenteuer erleben.
    Sie besorgten sich ein Visum, buchten günstige Tickets. Sie konnten sich mit dem Abflugdatum nach dem Preis richten, ein paar Tage mehr oder weniger machten keinen Unterschied. Mert kündigte sein Apartment und rief Nadja an, um ihr zu sagen, dass er auswandern würde.
    Vier Tage vor seiner Abreise fuhr er abends zu seiner alten Wohnung. Alles darin sah noch so aus, wie er es hinterlassen hatte. Sie besprachen, was ihm gehörte, was ihr gehörte, wie sie den gemeinsamen Besitz aufteilen sollten.
    Sie gingen durch die Zimmer wie durch ein Museum ihrer Vergangenheit, und Mert wurde klar, dass er nichts davon haben wollte. Er hatte nur einen Grund gesucht, um Nadja zu sehen, was er ihr schließlich auch erzählte. Sie schliefen miteinander, wie früher, und als Mert am nächsten Morgen gehen wollte, brachte er es nicht fertig. Auch am Morgen darauf nicht. Beinahe hätte er seinen Flug verpasst.
    Als er schon im Flur stand, seine Sporttasche über der Schulter, das wartende Taxi unten vor der Tür, rannte Nadja zurück in die Wohnung und holte das Kästchen mit den chinesischen Motiven. »Da ist mittlerweile so viel von dir drin.«
    »Aber auch von dir.«
    »Ich möchte gerne, dass du etwas von mir mitnimmst.« Sie nahm ihr Tagebuch raus, dann rannte sie noch mal los und kam mit dem Bild vom Küchentisch wieder. Sie betrachtete es, lächelte und schob es in das Kästchen. Mert gab ihr keinen Kuss, weil er fürchtete, nicht mehr loszukommen. Er drehte sich um und hastete die Treppen hinunter.
    Im Taxi sah er aus der Heckscheibe und entdeckte Nadja wie einen Scherenschnitt im Hausflurfenster im dritten Stock. Aus der Nähe betrachtet war sie älter geworden. Sie hatte Falten unter den Augen bekommen, die hochstehenden Wangenknochen zeichneten sich deutlicher ab. Wenn man nur ihre Silhouette sah, hatte sie die gleiche, scharfkantige Figur. Sie wird immer noch schön sein, wenn sie alt ist, dachte Mert. Diese Hoffnung erleichterte ihm den Abschied.
    »Alter, du stinkst. Hast du jede Alte noch mal gevögelt, die du in Hamburg kennst?«, fragte Ali, als sie ihre Plätze eingenommen und die Gurte geschlossen hatten.
    »Ich war bei Nadja.«
    Mert duschte sich ihren Geruch erst ab, als er in Patong angekommen war. Das T-Shirt, das er in den letzten Nächten bei Nadja getragen hatte, verstaute er ungewaschen in einem Regal. Es liegt
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