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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz
Autoren: Davic Pfeifer
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wenig an. Er sagte ihr, dass sie wunderschön sei. Doch es beschrieb nicht das Gefühl, das er hatte, wenn er sie sah. Das Gefühl, jedes Mal aufs Neue überrascht zu sein, dass es sie überhaupt gab. Sogar wenn sie verheult in ihrem Jogginganzug auf dem Sofa saß, war sie schön. Er versuchte ihr zu erklären, wie gern er ihr zuhörte. Aber es klang dumm. Es fasste nicht Merts Überzeugung, dass sie sogar seine Gedanken besser denken konnte als er selbst. Kein Wort passte. Also versuchte er es am Ende damit, sein Gefühl zu beschreiben, das er beim ersten Mal gehabt hatte, als er sie sah. »Da dachte ich, wenn dieses Mädchen mit mir zusammen sein will, dann bin ich etwas wert.«
    Nadja hatte ihn in den Arm genommen und an ihre Brust gedrückt. Zum ersten Mal. In all den Jahren hatte sie sich immer an seinen Rücken geschmiegt. In dieser letzten Nacht wog sie ihn wie ein Kind. »Ich kann mich doch niemandem zumuten«, sagte sie.
    Die Mamasan bringt ihm noch ein Bier. Sie streichelt den Hund und fragt Mert etwas auf Englisch. Die Musik ist zu laut, aber er vermutet, dass sie den Namen des Hundes wissen will. Er hebt Ali hoch, hält ihn der Mamasan hin und sagt: »Ali.«
    »The Greatest!«, ruft die Mamasan.
    »Yes. But he smallest«, sagt Mert. Er kann ihr nicht erklären, dass es den kleinen Ali gibt, den großen Ali und den größten, das wird zu kompliziert. Sie will es auch gar nicht so genau wissen. Sie will ihm einen Tequila ausgeben, deswegen deutet sie auf die Glocke. »Ring bell – shooters for all.« Mert läutet die Glocke. Die Mamasan verschwindet hinter dem Tresen und bereitet ein Tablett mit Tequila, aufgeschnittenen Limonen und Salzfässchen vor. Die Mädchen verteilen die Schnäpse, die Mamasan und das Manga-Mädchen stoßen mit Mert an. Das Manga-Mädchen bleibt bei ihm und streicht ihm über die Haarstoppeln am Kopf.
    Keine zwei Minuten später läutet die Glocke wieder. Ein Typ in Lacoste-Hemd und Trekkingsandalen will sich nicht lumpen lassen und schmeißt noch eine Runde. Wieder Tequila. Mert mag das Zeug nicht, er spült den Tequila mit Bier runter.
    Dann legt er der Mamasan zweitausend Baht hin, viel zu viel. Nicht nur, um seine Rechnung zu begleichen, sondern auch, um das Manga-Mädchen auszulösen. Und für alles. Er sieht runter zu Ali, der an seinem Wassernapf schlabbert, knotet eine seiner Bandagen an das Halsband und macht ihn am Tresen fest. Er zieht das Manga-Mädchen hinter sich her. Sie ist verwirrt, aber dann begreift sie, dass er seine Haltung heute geändert hat.
    »Short term, long term?«, fragt sie.
    »Short term.«
    »Your place?«
    »Too far. You have place?«
    »Hotel.«
    Sie nimmt seine Hand und führt ihn die Bangla Road entlang. »Thousand for short term, special price for you. Six hundred for room«, erklärt sie ihm.
    »Okay.«
    In einer Seitenstraße kommen sie vor einem Haus an, in dessen Erdgeschoss eine kleine Rezeption eingerichtet ist. »Rooms for rent« steht auf einem Schild an der Scheibe.
    Das Manga-Mädchen erkundigt sich auf Thai nach einem Zimmer. Sie erklärt Mert noch einmal, dass er sechshundert Baht für das Zimmer zahlen muss. Auf einem Zettel soll er seinen Namen und seine Nationalität eintragen. Er schreibt »Ali« darauf, und »Turkey«.
    Das Zimmer ist kalt wie ein Eisschrank. Das Manga-Mädchen weist ihn an, sich zu duschen. Dann duscht sie selbst. Mert friert, während er auf dem Bett sitzt und wartet, dass sie fertig wird. Er trägt nur ein Handtuch um die Hüfte. Egal welchen Knopf er auch drückt, er kann die Klimaanlage nicht ausschalten. Auf der Kommode steht ein Fernseher, in dem Musikvideos laufen, daneben ein Behälter, in dem grüne Flüssigkeit blubbert, die einen Gestank absondert, der ihn an Klosteine erinnert. Was auch immer in diesem Zimmer passiert, es wird schon Sekunden später nicht mehr danach riechen. Das Manga-Mädchen kommt aus der Dusche, ein Handtuch um die Brust gewickelt. Sie hat kurze Beine ohne ihre hochhackigen Stiefel. Und sie sieht noch jünger aus, wenn sie ihre Tanzuniform nicht trägt. Sie schaltet die Klimaanlage ab, nachdem Mert ihr mit Reibebewegungen an seinen Oberarmen bedeutet hat, dass ihm kalt ist. Sie setzt sich hinter ihn und beginnt seinen Nacken zu massieren. Er will sie noch mal nach ihrem Namen fragen, ihn sich diesmal auch merken, aber dann erscheint es ihm nicht mehr so wichtig.
    Sie küssen sich, und Mert ist überrascht. Auf dem Kiez wurde früher immer davon gesprochen, dass Prostituierte
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