Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
fertiggebracht, mich ihm direkt zu stellen. Weil ich Angst hatte. Und ich hatte recht, Angst zu haben, oder nicht? Ich hatte recht.«
    »Lois …«
    Plötzlich kam sie durch das Zimmer auf ihn zu, kam schnell, sprang fast, die alte Rückenverletzung hinderte sie nicht im Geringsten, und bevor er sie aufhalten konnte, hatte sie seinen rechten Arm gepackt, streckte ihn und betrachtete ihn gebannt.
    Die Narbe leuchtete in einem heftigen, strahlenden Rot.
    Ralph hoffte kurz, dass es nur ein Leuchten der Aura war, das sie nicht sehen konnte. Sie sah mit runden Augen voller Angst auf. Angst und noch etwas lag darin. Ralph hielt dieses andere für Wiedererkennen.
    »O mein Gott«, flüsterte sie. »Die Männer im Park. Die mit den komischen Namen … Klothes und Lashes oder so … und einer hat dich geschnitten. O Ralph, o mein Gott, was sollst du tun? «
    »Lois, jetzt reg dich nicht auf …«
    »Komm mir nicht mit reg dich nicht auf!«, kreischte sie ihm ins Gesicht. »Wage es nicht! Wage es JA nicht!«
    Beeil dich, flüsterte die innere Stimme. Du hast keine Zeit, hier herumzustehen und dies zu besprechen; irgendwo hat es schon angefangen, und die Todesuhr, die du hörst, tickt möglicherweise nicht nur für dich.
    »Ich muss gehen.« Er drehte sich um und stapfte zur Tür. In seiner Aufregung bemerkte er eine gewisse Sherlock-Holmessche Einzelheit dieser Szene nicht: Ein Hund, der hätte bellen müssen - ein Hund, der immer missbilligend
bellte, wenn in diesem Haus Stimmen erhoben wurden -, bellte nicht. Rosalie lag nicht an ihrem Lieblingsplatz neben der Tür … und die Tür selbst war angelehnt.
    Aber im Augenblick lag Ralph nichts ferner als Rosalie. Er kam sich vor, als stünde er knietief in Melasse und glaubte, es wäre eine reife Leistung, wenn er nur bis zur Veranda käme, geschweige denn die Straße hinauf zum Red Apple. Sein Herz pochte und raste in der Brust; seine Augen brannten.
    »Nein!«, schrie Lois. »Nein, Ralph, bitte! Bitte verlass mich nicht!«
    Sie lief hinter ihm her, packte ihn am Arm. Den Pinsel hielt sie noch in der Hand, und die feinen roten Farbtropfen, die auf sein Hemd spritzten, sahen wie Blut aus. Jetzt weinte sie, und der Ausdruck völligen, allumfassenden Kummers brach ihm fast das Herz. Er wollte sie nicht so verlassen; war sich nicht sicher, ob er sie so verlassen konnte .
    Er drehte sich um und hielt sie an den Unterarmen. »Lois, ich muss gehen.«
    »Du hast nicht geschlafen«, plapperte sie. »Ich wusste es, und ich wusste, es bedeutet, dass etwas nicht stimmt, aber das macht nichts, wir gehen fort, wir können gleich aufbrechen, noch in dieser Minute, wir nehmen nur Rosalie und unsere Zahnbürsten und gehen …«
    Er drückte ihre Arme, worauf sie verstummte und mit feuchten Augen zu ihm aufsah. Ihre Lippen bebten.
    »Lois, hör mir zu. Ich muss es tun. «
    »Ich habe Paul verloren, ich kann dich nicht auch noch verlieren!«, schluchzte sie. »Ich könnte es nicht ertragen! O Ralph, ich könnte es nicht ertragen!«

    Du wirst es können, dachte er. Kurzfristige sind viel zäher, als sie aussehen. Das müssen sie sein.
    Ralph spürte, wie ihm zwei Tränen an den Wangen herabliefen. Er vermutete, dass eher Müdigkeit als Traurigkeit der Grund dafür war. Wenn er ihr begreiflich machen könnte, dass dies alles nichts änderte, es nur schwerer für ihn machte, das zu tun, was er tun musste …
    Er hielt sie auf Armeslänge von sich. Die Narbe an seinem Arm pochte heftiger denn je, und das Gefühl, dass ihm die Zeit unerbittlich zwischen den Fingern verrann, wurde überwältigend.
    »Dann komm zumindest ein Stück mit mir, wenn du willst«, sagte er. »Vielleicht kannst du mir sogar bei dem helfen, was ich tun muss. Ich habe mein Leben gehabt , Lois, und es war ein schönes Leben. Aber sie hat noch so gut wie gar nichts gehabt, und der Teufel soll mich holen, wenn ich sie diesem Dreckskerl überlasse, nur weil er noch eine alte Rechnung mit mir zu begleichen hat.«
    »Welcher Dreckskerl, Ralph? Wovon, um alles in der Welt, redest du?«
    »Ich rede von Natalie Deepneau. Sie soll heute Morgen sterben, aber das werde ich nicht zulassen.«
    » Nat? Ralph, warum sollte jemand Nat etwas antun wollen?«
    Sie sah sehr verwirrt aus, ganz unsere Lois … aber lag nicht etwas anderes unter dem arglosen Äußeren? Etwas Überlegtes und Berechnendes? Ralph glaubte, die Antwort darauf lautete Ja. Ihm kam der Gedanke, dass Lois möglicherweise nicht halb so verwirrt war, wie sie tat. Sie hatte Bill
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher