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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird
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»Ich liebe alles. Genauso hätte ich es auch eingerichtet. Ganz genauso.«
    »Früher habe ich selbst hier gewohnt«, erklärte ich, ohne zu wissen warum. Meiner vorherigen Mieterin hatte ich nichts dergleichen anvertraut. »Meine Mutter hat im Haupthaus gewohnt und ich hier hinten.«
    Ein schüchternes Lächeln umspielte nervös Alisons Mundwinkel. »Heißt das, wir sind uns einig?«
    »Sie können einziehen, sobald Sie so weit sind.«
    Sie sprang auf. »Ich kann sofort. Ich muss nur zurück ins Hotel fahren und meinen Koffer packen. Ich kann in einer Stunde wieder hier sein.«
    Ich nickte, und mir wurde schlagartig bewusst, wie schnell die Dinge sich entwickelt hatten. Es gab noch so vieles, das ich nicht über sie wusste, noch so viele Dinge zu besprechen. »Wir sollten wahrscheinlich über ein paar Grundregeln sprechen …«, sagte ich ausweichend.
    »Grundregeln?«
    »Keine Zigaretten, keine lauten Partys, keine Mitbewohner.«
    »Kein Problem«, sagte sie eifrig. »Ich rauche nicht, ich feiere keine Partys, und ich kenne niemanden.«
    Ich ließ den Schlüssel in ihre ausgestreckte Hand fallen und beobachtete, wie sich ihre Finger fest darum schlossen.
    »Vielen Dank.« Den Schlüssel noch immer umklammert, griff sie in ihre Handtasche, zählte zwölf glatte, nagelneue
100-Dollar-Scheine ab und gab sie mir. »Heute Morgen frisch gedruckt«, sagte sie mit einem verlegenen Lächeln.
    Ich versuchte, mir meinen Schock über so viel Bargeld nicht anmerken zu lassen. »Möchten Sie zum Abendessen rüberkommen, wenn Sie sich eingerichtet haben?«, hörte ich mich fragen, eine Einladung, die mich wahrscheinlich mehr überraschte als sie.
    »Das würde ich sehr gern.«
    Nachdem sie gefahren war, saß ich im Wohnzimmer des Haupthauses und staunte über meine Taten. Ich, Terry Painter, vermeintlich reife Erwachsene, die ich vierzig Jahre meines Lebens vernünftig, organisiert und alles andere als impulsiv gewesen war, hatte soeben das kleine Häuschen in meinem Garten an eine praktisch fremde junge Frau ohne Job und mit einer Handtasche voller Bargeld, ohne jede Referenzen bis auf eine einschmeichelnde Art und ein kindisches Grinsen vermietet. Was wusste ich eigentlich wirklich über sie? Nichts. Nicht, woher sie kam. Nicht, was sie nach Delray geführt hatte. Nicht, wie lange sie bleiben wollte. Nicht einmal, was sie im Krankenhaus getan hatte, wo sie meine Anzeige entdeckt hatte. Im Grunde gar nichts bis auf ihren Namen.
    Sie sagte, ihr Name sei Alison Simms.
    Damals hatte ich natürlich keinen Grund, daran zu zweifeln.

2
     
     
    Um Punkt sieben Uhr erschien Alison zum Abendessen, in einer schwarzen Hose, einem ärmellosen schwarzen Pulli, die Haare theatralisch zurückgekämmt und zu einem Zopf geflochten, der sie aussehen ließ wie ein in die Länge gezogenes Ausrufezeichen. In einer Hand hielt sie einen Strauß frischer Blumen, in der anderen eine Flasche Rotwein. »Ein italienischer Amarone von 1997«, verkündete sie und verdrehte die Augen. »Nicht, dass ich irgendwas von Wein verstehen würde, aber der Mann in dem Spirituosen-Laden hat mir versichert, dass es ein sehr guter Jahrgang ist.« Sie lächelte, sodass ihre mit ein wenig Gloss betonten Lippen die komplette untere Gesichtshälfte dominierten und in ihrem geöffneten Mund zwei Reihen perfekter Zähne strahlten. Sofort verzog ich meine Lippen ebenfalls zu einem ehrlichen Lächeln, ohne den leichten Überbiss zu entblößen, den auch jahrelange kieferorthopädische Behandlung nicht ganz hatte korrigieren können. Meine Mutter hatte immer behauptet, dass der Überbiss die Folge einer Angewohntheit meiner Kindheit wäre, beharrlich am dritten und vierten Finger meiner linken Hand zu lutschen und mir gleichzeitig mit den ramponierten Resten meiner Lieblingsbabydecke über die Nase zu reiben. Doch weil meine Mutter praktisch genau den gleichen Überbiss hatte, neige ich zu der Ansicht, dass dieser ästhetische Mangel eher den Genen als meinem Trotz zuzuschreiben ist.
    Alison folgte mir durchs Wohn- und Esszimmer in die Küche, wo ich die Blumen auspackte und eine hohe Kristallvase mit Wasser füllte. »Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
Ihre eifrigen Blicke huschten in alle Ecken des Raumes, als wollte sie sich jede Einzelheit merken.
    »Nehmen Sie sich einen Stuhl, und leisten Sie mir einfach Gesellschaft.« Ich stellte die Blumen in die Vase mit dem lauwarmen Wasser und schnupperte an den kleinen pinkfarbenen Rosen, den zierlichen weißen Gänseblümchen und
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