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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird
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hinhielt. Ich goss die beiden Gläser ein Viertel voll. »Sie sind wunderschön. Alles, was Sie haben, ist wunderschön.«
    »Prost«, sagte ich, stieß vorsichtig mit ihr an und bewunderte das dunkle Rot des Weines.
    »Worauf trinken wir?«
    »Auf gute Gesundheit«, antwortete die Krankenschwester in mir sofort.
    »Und auf gute Freunde«, fügte sie schüchtern hinzu.
    »Auf neue Freunde«, verbesserte ich sie und führte mein Glas zum Mund. Das satte Aroma stieg mir zu Kopf, noch bevor ich einen einzigen Tropfen probiert hatte.
    »Auf neue Anfänge«, flüsterte Alison und schien mit ihrem Gesicht beinahe in dem Glas zu versinken, als sie einen
langen, zögerlichen Schluck nahm. »Hm, das ist superlecker. Finden Sie nicht auch?«
    Ich ging im Kopf rasch die Adjektive durch, mit den Experten für gewöhnlich edle Weine beschreiben – vollmundig, fruchtig, sanft , gelegentlich sogar temperamentvoll . Aber nie superlecker. Aber was wissen die schon, dachte ich und schmeckte den Wein im Mund ab, wie ich es bei Männern in vornehmen Restaurants beobachtet hatte, bis sein Aroma auf meiner Zunge prickelte. »Superlecker ist das perfekte Wort«, stimmte ich zu, nachdem ich den Wein hinuntergeschluckt hatte. »Absolut superlecker.«
    Wieder verwandelte dieses Lächeln ihr Gesicht, verschluckte ihre Wangen und ihre Nase, sodass es aussah, als würden ihre Augen selbst lächeln. Sie trank einen großen Schluck und dann noch einen. Ich folgte ihrem Beispiel, und schon bald mussten wir nachschenken. Diesmal goss ich die Gläser beinahe halb voll.
    »Und was hat Sie von Chicago nach Delray geführt?«, fragte ich.
    »Ich habe mich nach einer Veränderung gesehnt.« Vielleicht hätte sie es dabei belassen, wenn sie nicht die offenkundige Frage in meinem Gesicht gesehen hätte. »Ich weiß nicht genau.« Sie starrte abwesend auf die Reihe der Porzellankopfvasen auf dem Regal. »Vermutlich hatte ich einfach keine große Lust, einen weiteren Winter in Chicago zu erleben, und eine Freundin von mir ist vor ein paar Jahren nach Delray gezogen. Ich dachte, ich komme einfach her und finde heraus, wo sie wohnt.«
    »Und haben Sie das getan?«
    »Habe ich was getan?«
    »Herausgefunden, wo sie wohnt.«
    Alison wirkte verwirrt, als wäre sie sich nicht ganz sicher, wie die richtige Antwort lauten musste.
    Das ist das Problem mit Lügen.

    Eine gute Lügnerin denkt immer einen Schritt voraus. Sie ahnt stets, was kommen wird, und beantwortet eine Frage schon mit der nächsten im Ohr. Sie ist ständig wachsam und hat stets eine flüssige Antwort zur Hand.
    Andererseits braucht eine schlechte Lügnerin auch nur ein leichtes Opfer.
    »Ich habe versucht, sie zu finden«, sagte Alison nach einer Pause, die vielleicht einen Tick zu lang gedauert hatte. »Deshalb war ich ja im Krankenhaus, wo ich Ihre Anzeige gesehen habe.« Die Worte flossen jetzt wieder glatter. »Sie hatte mir geschrieben, dass sie in einem Privatkrankenhaus namens Mission Care in Delray arbeitet, also habe ich mir gedacht, ich könnte sie überraschen, vielleicht zum Mittagessen einladen und horchen, ob sie zufällig eine Mitbewohnerin sucht. Aber in der Personalabteilung hat man mir gesagt, dass sie schon lange nicht mehr dort arbeitet.« Alison zuckte die Achseln, und ihre anmutig geformten Schultern hoben und senkten sich. »Zum Glück habe ich Ihren Aushang entdeckt.«
    »Wie heißt Ihre Freundin denn? Wenn Sie Krankenschwester ist, kann ich vielleicht herausbekommen, wohin sie gegangen ist.«
    »Sie ist keine Krankenschwester«, erwiderte Alison rasch. »Sie war Sekretärin oder so was.«
    »Wie heißt sie denn?«, wiederholte ich. »Ich kann mich umhören, wenn ich morgen zur Arbeit gehe. Vielleicht weiß irgendjemand, was aus ihr geworden ist.«
    »Das ist nicht nötig.« Alison strich abwesend mit einem Finger über den Rand ihres Weinglases, das ein vage schnurrendes Geräusch machte, als ob es auf die sanften Zärtlichkeiten einer Geliebten reagierte. »So gute Freundinnen waren wir auch wieder nicht.«
    »Und trotzdem haben Sie Ihr Zuhause verlassen und sind quer durchs Land gereist …«

    Alison zuckte mit den Schultern. »Ihr Name ist Rita Bishop. Kennen Sie sie?«
    »Kommt mir nicht bekannt vor.«
    Sie atmete tief ein, und ihre Schultern entkrampften sich. »Ich mochte den Namen Rita nie besonders. Sie?«
    »Es ist nicht gerade einer meiner Lieblingsnamen«, räumte ich ein und ließ es zu, sanft vom Thema abgebracht zu werden.
    »Was sind denn Ihre
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