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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird
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Leid.«
    »Warum entschuldigen Sie sich?«, fragte ich ehrlich neugierig. »Sie haben doch nichts falsch gemacht.«
    »Nicht? Da bin ich aber erleichtert.« Sie lachte und ließ sich mit hochrotem Kopf auf den anderen Stuhl sinken.
    »Was ist mit Ihrer Ehe passiert?«, fragte ich sanft und kämpfte gegen ein nagendes Unbehagen in meiner Magengrube an, ein Gefühl, das mich zweifelsohne davor warnen wollte, dass Alison Simms vielleicht nicht die junge, scheinbar unkomplizierte Frau war, der ich die Schlüssel zu dem Häuschen in meinem Garten überreicht hatte.
    »Was meistens passiert, wenn man mit achtzehn heiratet«, sagte sie schlicht und senkte ihren Blick, ohne zu lächeln, bis er meinen traf. »Es hat nicht geklappt.«
    »Das tut mir Leid.«
    »Mir auch. Wir haben es wirklich versucht. Wir haben uns etliche Male getrennt und wieder versöhnt, selbst nachdem unsere Scheidung schon rechtskräftig war.« Ungeduldig strich sie sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Manchmal ist es schwer, sich von jemandem fern zu halten, auch wenn man weiß, dass er ganz falsch für einen ist.«
    »Und deswegen sind Sie nach Florida gekommen?«
    »Vielleicht«, gab sie zu und ließ dann wieder dieses strahlende Lächeln aufblitzen, das alle Spuren von Trauer und Selbstzweifeln tilgte. »Was gibt’s zum Nachtisch?«

3
     
     
    »Ich war fünfzehn, als ich meine Unschuld verloren habe«, sagte Alison und schenkte sich ein zweites Gläschen Baileys Irish Cream ein. Wir saßen an die Möbel gelehnt im Wohnzimmer auf dem Boden, die Beine achtlos gespreizt wie zwei vergessene Stoffpuppen. Alison hatte darauf bestanden, nach dem Essen aufzuräumen, von Hand zu spülen und abzutrocknen, bevor sie alles wieder an seinen ordnungsgemäßen Platz stellte, während ich am Küchentisch saß, ihr zuschaute, die Geschicklichkeit und Geschwindigkeit bewunderte, mit der sie zu Werke ging, und staunte, wie sie instinktiv zu wissen schien, wohin alles gehörte, beinahe so, als wäre sie schon einmal in dem Haus gewesen. Den Baileys hatte sie im Esszimmerschrank gefunden, als sie die Weingläser zurückstellte. Ich hatte vergessen, dass ich ihn überhaupt besaß.
    Ich weiß nicht, warum wir statt auf dem Sofa auf dem Boden saßen. Wahrscheinlich hatte sich Alison einfach hingehockt, und ich war ihrem Beispiel gefolgt. Das Gleiche galt für den Baileys. Ich hatte bestimmt nicht die Absicht gehabt, noch mehr zu trinken, doch plötzlich hatte ich ein zierliches Likörglas in der Hand, Alison schenkte ein, ich trank, und das war’s. Ich hätte vermutlich Nein sagen können, doch in Wahrheit genoss ich den Abend viel zu sehr. Man darf nicht vergessen, dass ich meine Tage für gewöhnlich in Gesellschaft von Menschen verbrachte, die alt, krank oder sonst wie akut in Not waren. Alison war so jung, schwungvoll und lebendig. Sie erfüllte mich mit einem derart tiefen Wohlbehagen, dass alle möglichen nagenden Zweifel oder kleinmütigen
Bedenken zusammen mit meinem gesunden Menschenverstand einfach verflogen. Ich wollte schlicht und einfach nicht, dass sie ging, und wenn ein zweites Glas Baileys den Abend verlängern würde, dann sollte es ein zweites Glas Baileys sein. Begierig hielt ich ihr mein Glas zum Nachfüllen hin, was sie prompt erledigte. »Das hätte ich wahrscheinlich nicht erzählen sollen«, sagte sie. »Jetzt hältst du mich bestimmt für ein Flittchen.«
    Ich weiß nicht mehr genau, wann wir zum Du übergegangen waren, aber es schien nur natürlich. Es dauerte eine Weile, bis ich kapierte, dass sie von ihrer verlorenen Unschuld sprach. »Natürlich denke ich nicht, dass du ein Flittchen bist«, sagte ich nachdrücklich und sah die Erleichterung, die wie ein Farbpinsel über Alisons Gesicht wischte, beinahe so, als hätte sie darauf gewartet, dass ich sie freispreche und ihr die Sünden und Irrwege ihrer Vergangenheit vergab. »Außerdem war ich noch schneller als du«, gestand ich, damit sie sich besser fühlte und um anzudeuten, dass ich wohl kaum in der Position war, sie zu verurteilen.
    »Wie meinst du das?« Sie beugte sich vor und stellte ihr Glas auf den Teppich, wo es in einer rosafarbenen Blüte des Webmusters versank.
    »Ich war erst vierzehn, als ich meine Unschuld verloren habe«, flüsterte ich schuldbewusst, als ob meine Mutter noch in ihrem Zimmer im ersten Stock lauschen könnte.
    »Ach, hör doch auf. Das glaube ich dir nicht.«
    »Es stimmt aber.« Ich ertappte mich dabei, sie unbedingt überzeugen zu wollen, um ihr zu
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