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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird
Autoren: authors_sort
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»Für alles.«
    »War mir ein Vergnügen.« Ich öffnete die Hintertür und sah mich rasch um.
    Niemand lauerte, niemand starrte.

    Ich seufzte erleichtert und wartete, bis sie sicher in ihrem Häuschen war, bevor ich die Küchentür schloss. Ich strich mit der Hand über die Stelle, wo Alisons Lippen meine Wange gestreift hatten, während ich mir vorstellte, wie sie durch das kleine Wohnzimmer ins Schlafzimmer auf der Rückseite ging. Vor meinem inneren Auge sah ich sie unter dem Bett und im Kleiderschrank nach entlaufenen Ungeheuern suchen, die ihr auflauern könnten. Abwesend dachte ich an den Mann, den ich vor dem Haus hatte stehen sehen. War da wirklich jemand gewesen? Und hatte er mich beobachtet – oder Alison?
    Ich weiß noch, dass ich gedacht habe, so ein süßes Mädchen. So kindlich. So unschuldig.
    Nicht ganz so unschuldig, erinnerte ich mich, als ich mühsam die Treppe hinauf ins Schlafzimmer wankte. Ein aufmüpfiger Teenager, mit achtzehn verheiratet und kurz darauf schon wieder geschieden. Ganz zu schweigen davon, dass sie trinkfest war wie ein Kneipenwirt.
    Ich erinnere mich nur schemenhaft daran, mich ausgezogen und mein Nachthemd übergestreift zu haben, und das auch nur, weil ich es zunächst verkehrt herum angezogen hatte und es noch einmal ausziehen und auf die richtige Seite drehen musste. Daran, mein Gesicht gewaschen und meine Zähne geputzt zu haben, kann ich mich nicht mehr erinnern, obwohl ich sicher bin, dass ich das getan habe. Ich weiß allerdings noch, wie meine nackten Füße in dem elfenbeinfarbenen Teppich versanken, als ich zu Bett ging, als würde ich durch dicken Schlamm waten. Ich erinnere mich daran, wie schwer meine Schenkel waren, so als ob meine Beine im Boden verankert wären. Das große Einzelbett in der Mitte des Zimmers schien meilenweit entfernt, und ich brauchte Ewigkeiten, um es zu erreichen. Es bedurfte einer gewaltigen Anstrengung, die dicke weiße Steppdecke zur Seite zu schlagen, und ich weiß noch, dass sie sich wie ein in
sich zusammensackender Fallschirm um meinen Körper bauschte, als ich unter das Laken schlüpfte und meinen Kopf auf das wartende Kissen sinken ließ.
    Ich hatte gedacht, dass ich einschlafen würde. Wie im Film: Menschen trinken zu viel, werden benommen, sind durcheinander und fallen in bewusstlosen Schlaf. Manchmal wird ihnen vorher noch schlecht. Doch mir wurde weder schlecht, noch sank ich in bewusstlosen Schlaf. Ich lag da, und in der Dunkelheit drehte sich alles in meinem Kopf, während ich mich mit dem Wissen, in ein paar Stunden aufstehen zu müssen, verzweifelt nach Schlaf sehnte, der nicht kommen wollte. Ich wälzte mich von einer Seite auf die andere, versuchte, auf dem Rücken und sogar auf dem Bauch zu liegen, bevor ich es aufgab und mich wieder in meine ursprüngliche Lage drehte. Ich zog die Knie an die Brust, schlug ein Bein über das andere und verdrehte meinen Körper in Positionen, die jeden Verrenkungskünstler stolz gemacht hätten. Nichts funktionierte. Ich dachte daran, eine Schlaftablette zu nehmen, und war schon fast aufgestanden, als mir einfiel, dass es ein Fehler war, Alkohol und Schlaftabletten zu kombinieren. Außerdem war es ohnehin zu spät für irgendwelche Beruhigungsmittel. Bis sie wirkten, würde mein Wecker mich wachrütteln, und ich würde den kommenden Tag in einem trüben Dunst verbringen wie an einem Regentag der schlimmsten Sorte.
    Ich dachte, dass ich vielleicht etwas lesen sollte, doch ich kämpfte schon seit Wochen mit dem Buch auf meinem Nachttisch und hatte es nicht weiter als bis zum vierten Kapitel gebracht. Außerdem war mein Verstand so müde wie meine Augen, und der Versuch, jetzt noch etwas aufzunehmen, würde auf eine Übung in Frustration und Nutzlosigkeit hinauslaufen. Nein, entschied ich, ich hatte keine andere Wahl, als wach im Bett zu liegen und geduldig darauf zu warten, dass der Schlaf kam.

    Was er nicht tat.
    Eine halbe Stunde später wartete ich immer noch. Ich atmete mehrmals tief ein und improvisierte ein halbes Dutzend Yoga-Übungen, die ich in einer Zeitschrift gesehen hatte. Ob ich sie richtig ausführte, wusste ich nicht; im Krankenhaus wurde ein Yoga-Kurs angeboten, doch ich hatte es irgendwie nie geschafft, daran teilzunehmen. Genauso wie ich es nie ganz geschafft hatte, mich für Pilates oder transzendentale Meditation anzumelden oder den Bauchroller zu bestellen, für den regelmäßig im Fernsehen geworben wurde. Ich gelobte still, all diese Dinge gleich morgen früh als
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