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Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Schlaf Nicht, Wenn Es Dunkel Wird
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Erstes zu tun, wenn ich dafür sofort einschlafen könnte.
    Aber auch aus diesem Handel wurde nichts.
    Ich überlegte, ob ich den Fernseher einschalten sollte – irgendwo wurde garantiert eine Folge von Die Aufrechten – Aus den Akten der Straßen wiederholt -, doch ich entschied mich dagegen und beschloss stattdessen, im Kopf noch einmal Alisons Besuch durchzugehen. Was um alles in der Welt hatte mich geritten, ihr die Dinge zu erzählen, die ich erzählt hatte, Informationen, die ich nie zuvor mit jemandem geteilt hatte? Roger Stillman, Herrgott noch mal! Wo war das bloß hergekommen? Seit meinem Wegzug aus Baltimore hatte ich nicht einmal mehr an ihn gedacht.
    Und was hatte sie mir wirklich erzählt?
    Dass sie ihre Unschuld mit fünfzehn verloren hatte.
    Was noch?
    Nicht viel, wie mir klar wurde. Alison mochte die Schleusen der Erinnerung geöffnet haben, war jedoch selbst außen vor geblieben. Nein, ich war diejenige, die sich Hals über Kopf in die Fluten gestürzt und Vorsicht und gesunden Menschenverstand in den Wind geschlagen hatte. Einer ihrer interessanteren Charakterzüge, dachte ich, während sich hinter meinen Ohren ein leises Brummen einnistete. Alison
vertraute sich einem nur scheinbar an, während sie einen in Wahrheit dazu brachte, sich ihr anzuvertrauen.
    Über dieser Schlussfolgerung schlief ich endlich ein. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich eingedöst bin, doch ich weiß noch, dass ich geträumt habe. Alberne kleine Vignetten: Roger Stillman, der auf dem Rücksitz seines Wagens James Bond imitierte; Josh Wylies Mutter, die mir aus ihrem Krankenhausbett entgegenlächelte und mich bat, den Strauß gelber und orangefarbener Rosen, den ihr Sohn aus Miami mitgebracht hatte, in eine Vase zu stellen; meine Mutter, die mich warnte, dass ich den Wecker nicht gestellt hatte.
    Die Erkenntnis, dass ich in der Tat nicht daran gedacht hatte, meinen Wecker zu stellen, ließ mich um zwei Minuten nach vier hochschrecken und zu meinem Nachttisch greifen. Im Halbdunkel tastete ich nach dem Radiowecker und schlug die Augen nur höchst widerwillig auf, als ich ihn endlich gefunden hatte.
    In diesem Moment sah ich die große Gestalt, die am Fußende meines Bettes stand.
    Zuerst hielt ich es für eine Erscheinung, eine Täuschung meines weinseligen Verstands, vielleicht ein Traum, der beim Aufwachen nicht zerstoben war, eine gespenstische Mischung aus Mondlicht und Schatten. Erst als die Gestalt sich bewegte, wurde mir klar, dass sie real war.
    Ich kreischte laut auf.
    Mein Schrei schnitt durch die Dunkelheit wie eine Klinge in Fleisch, kratzte an der Luft und ließ sie zerfetzt und blutig zurück. Dass dieses wahnsinnige unmenschliche Geräusch meinem eigenen Körper entschlüpft war, erschreckte mich beinahe so sehr wie die Gestalt selbst, die sich langsam auf mich zu bewegte, sodass ich erneut schrie.
    »Es tut mir so Leid«, flüsterte eine Stimme. »Es tut mir so Leid.«
    Ich weiß nicht genau, wann mir klar wurde, dass die fremde
Gestalt in meinem Zimmer Alison war, ob es der Klang ihrer Stimme oder das Glitzern des kleinen goldenen Herzens an ihrem Hals war. Sie hielt sich den Kopf, als hätte sie einen Schlag abbekommen, und schwankte wie ein von Böen geschüttelter Baum. »Es tut mir so Leid«, wiederholte sie immer wieder. »Es tut mir so Leid.«
    »Was machst du hier?«, brachte ich schließlich hervor, schluckte einen weiteren Schrei herunter, der sich in meiner Kehle anstaute, und streckte die Hand nach der Nachttischlampe aus.
    »Nein!«, rief sie. »Bitte nicht anmachen.«
    Ich erstarrte und wusste nicht, was ich als Nächstes tun sollte. »Was machst du hier?«
    »Es tut mir so Leid. Ich wollte dich nicht aufwecken.«
    »Was machst du hier?«, wiederholte ich über das laute Pochen meines Herzens hinweg.
    »Mein Kopf …« Sie begann an ihren Haaren zu zerren, als wollte sie sie mit der Wurzel ausreißen. »Ich habe Migräne.«
    Ich kletterte aus dem Bett und machte ein paar zögerliche Schritte auf sie zu. »Migräne?«
    »Ich nehme an, der ganze Rotwein hat irgendwas ausgelöst -« Sie brach ab, als könnte sie nicht weitersprechen.
    Ich legte meinen Arm um sie und ließ sie auf dem Bett Platz nehmen. Sie trug ein langes weißes Baumwollnachthemd, meinem eigenen nicht unähnlich, und ihr Haar fiel offen um ihr tränenfeuchtes Gesicht. »Wie bist du ins Haus gekommen?«, fragte ich.
    »Die Tür war nicht abgeschlossen.«
    »Das ist unmöglich. Ich schließe sie immer ab.« Ich war
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