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Geld fressen Seele auf

Geld fressen Seele auf

Titel: Geld fressen Seele auf
Autoren: Maximilian von Ah
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Geld fressen Seele auf
     
     
    Auf seinen immer kraftloser werdenden Armen trug Francisco Ansa den toten Körper seines minderjährigen Sohnes Christiano. Der Dreizehnjährige wirkte abgemagert, ja fast ausgemergelt und dem sonst durchaus kraftvollen Vater fiel es erkennbar schwer, diesen leblosen Knabenkörper auf seinen Armen zu halten. Mit letzter Anstrengung ließ er den toten Jungen auf das Bett zurückgleiten, um sich in der gleichen Sekunde unter leisem Schluchzen auf den Boden sinken zu lassen.
    Seine schmerzerstickte Stimme brachte es kaum hörbar hervor: » Ihr Verbrecher, ihr Mörder! «
       
     
    Heinz Müller, dem Kriminaloberkommissar der Düsseldorfer Kriminalpolizei, fehlten in diesem Moment nicht nur die Worte, sondern offensichtlich auch die Fantasie, um dem Vater irgendetwas Aufbauendes zu sagen. Er schaute stattdessen nur hilflos zu dem Vertreter des Jugendamtes hinüber, der seinerseits aber auch nur regungslos dastand und auf das Bett des toten Jungen starrte. Absolute Trost- und Hilflosigkeit erfüllte das kalte Kinderzimmer.
       
     
    Nebenan in der Wohnstube dieser kleinen Dreieinhalbzimmerwohnung, die im noblen Düsseldorfer Vorort Angermund lag, standen bereits zwei kunststoffbeschichtete Särge der KTU Düsseldorf. In einem dieser Transportvehikel der kriminaltechnischen Untersuchungsbehörde lag der ebenfalls leblose Körper der Angelina Bernardo-Ansa, der Exfrau Franciscos und Mutter des toten Christiano.
       
     
    Aus dem Kinderzimmer heraus verfolgte der Kriminalkommissar mit einem Auge das Arbeiten seiner Kollegen im Wohnraum nebenan.
    Plötzlich sprang Francisco Ansa auf, stellte sich vor den Kriminalkommissar und den Vertreter der Jugendbehörde und rief ihnen mit erhobenen Fäusten und erstickter Stimme zu: » Ich werde euch zur Rechenschaft ziehen – alle! «
    Unmittelbar danach verließ er eilig die Wohnung seiner Exfrau und verschwand in der regnerischen Nacht.
       
     
    Die Nässe und die Kälte spürte Francisco nicht und er lief ohne jedes Ziel einfach so weit wie ihn seine Füsse, die ihn im Grunde gar nicht tragen wollten, dann doch trugen. Weder spürte er seinen Körper noch empfand er irgendwelche Gefühle; da war nur noch Leblosigkeit, absolute Leere und Stille.
       
     
    Wie er später in jenen Zug, der von Düsseldorf nach Zürich fuhr, gekommen war, daran erinnerte Francisco sich nicht mehr – auch hier nur absolute Leere.
    Vollkommen apathisch saß er nun in diesem Zugabteil und starrte immerzu und mit leerem Blick aus dem Fenster hinaus. Der Novembernebel hatte die einst wunderschön anzusehende Außenwelt in sich eingehüllt und ihr somit ein gespenstisch anmutendes Aussehen verliehen.
    Langsam, ganz langsam glaubte er, nach dieser unendlichen Leere sich selbst wieder etwas spüren zu können; die Angespanntheit seines Körpers, seine Schwäche und Müdigkeit. Wie gerne würde er jetzt schlafen und sich ausruhen!
    Doch der erlösende Schlaf wollte einfach nicht zu ihm finden.
    In der Leere seines immer noch schmerzbetäubten Bewusstseins nahm er allmählich das endlose, monotone Fahrgeräusch des Zuges wahr. Dann, ganz plötzlich, tat sich ein kleines Loch in diesem Novembernebel auf und Francisco glaubte, im Nebelriss ein Gesicht zu erkennen. Blitzartig war er sich dann ganz sicher! Es war ein ihm sehr bekanntes Gesicht: Christianos! Warum aber war es so aschfahl, weiß und so starr? So plötzlich, wie sich das Nebelloch aufgetan hatte, war es wieder verschwunden, zusammen mit Christianos Gesicht und der Erinnerung an jene fürchterlichen Ereignisse.
    Alles war nun vernebelt.
    Nach einer schier endlosen Weile in der Monotonie des Zuggeräusches traf sein Blick erneut auf ein Loch im Nebel, das ihm jetzt aber viel grösser erschien als das vorherige. Tief, ganz tief tauchte nun sein Bewusstsein in dieses neue Nebelloch hinein und sogleich fühlte er sich umhüllt von einer beschaulichen, gar wundersamen Ruhe. Kurz darauf gewärtigte er vogelperspektivisch zu erkennende, vertraute Bilder aus seiner bewegten Vergangenheit.
       
     
    Er erkannte das Jahr 1998. Angelina, seine Ehefrau, war gerade aus dem Schlössli wieder heimgekommen und bereits kurze Zeit später hatte sie Francisco mitgeteilt, dass sie ihn jetzt verlassen und mit den Kindern zurück nach Düsseldorf gehen würde.
    Die Kinder waren deprimiert und hin- und hergerissen, weil sie diese Trennung der Eltern doch absolut nicht wollten. Der elfjährige Frederico und sein um acht Jahre
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