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Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Die Lutherverschwörung - historischer Roman

Titel: Die Lutherverschwörung - historischer Roman
Autoren: Brunnen Verlag
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P ROLOG
    Rom, im Mai 1510
    Wulf schaute über die Dächer Roms, legte die Armbrust an und wartete auf sein Opfer.
    Vor dem Pantheon spielten Kinder. Sie verfolgten einander, versteckten sich hinter den mächtigen Säulen des Portikus, riefen sich Worte zu, deren Sinn er nicht verstand, erfüllten die Luft mit ihrem Geschrei, balgten sich und bildeten Knäuel, dann stoben sie wieder auseinander. Flatternde, flüchtige Wesen, Mädchen in bunten Röcken und Jungen in kurzen Hosen mit blutigen Knien. Von irgendwoher wehte aus einem offenen Fenster der fremdartige, verlockende Geruch einer mediterranen Mahlzeit.
    Wulf dachte zurück an den gestrigen Abend, als ihm die Schwarze Jungfrau im Traum erschienen war und die Stimmen in seinem Kopf sich verwirrt hatten. Von diesem Moment an wusste er, dass es an der Zeit war, seinen Auftrag auszuführen.
    Eines der Mädchen breitete nun seine schmalen, zerbrechlichen Arme aus und drehte sich im Kreis – so schnell, dass die Schöße seines roten Rockes durch die Luft wirbelten.
    Wulf war ein exzellenter Schütze, aber er hatte noch nie einen Menschen getötet. Brangenberg und seine Pilgergruppe würden bald erscheinen. Höchste Zeit, dass die Kinder sich endlich davonmachten! Allein der Gedanke, versehentlich eines von ihnen zu treffen, ließ ihn schaudern.
    Die Kuppel des Pantheons, hinter der sich zartes Abendrot abzeichnete, überragte die umliegenden Gebäude und warf einen Schatten auf die Fassaden. Mauersegler kreischten über dem Gewölbe; Haken und Bogen schlagend, verfolgten sie sich durch die engen Gassen. Auf dem Vorplatz herrschte am Brunnen noch reger Betrieb, Frauen schöpften Wasser in Krüge, und Wasserträger füllten ihre Eimer.
    Wulfs Geduld wurde strapaziert. Der Himmel färbte sich schon tiefrot, und die Menschen auf dem Vorplatz zerstreuten sich, bis nur noch einige wenige zurückblieben; auch die Kinder verschwanden endlich. Längst hatte er die Armbrust gegen die Wand gelehnt – aus Angst vor Entdeckung. Dass er die kleine Kammer im fünften Stock eines Wohnhauses gegenüber dem Pantheon mieten konnte, war ein Glücksfall gewesen. Ebenso der Hinterausgang des Gebäudes, der ihm gute Fluchtmöglichkeiten bot. Gleich nach dem Schuss würde er die Läden schließen, und man würde rätseln, woher der tödliche Pfeil gekommen war. Bis die Verwirrung sich legt, dachte er, bin ich längst über alle Berge.
    Was aber, wenn die Pilgergruppe ihre Pläne geändert hatte und Brangenberg nicht erschien? Ach was, er musste auf Gott vertrauen; manche Dinge ließen sich einfach nicht planen. Stand er nicht auf der Seite der Gerechten? Der Tod dieses Ketzers musste doch ein Werk sein, das Gott gefiel – und folglich durfte er auf seine Unterstützung rechnen.
    Brangenberg lästerte über die Heiligen. Er zog deren Taten und die für die Gläubigen gesammelten guten Werke ebenso in den Schmutz wie die kirchlichen Sakramente! Hatte nicht Brangenbergs eigener Sohn von schrecklichen Ketzereien berichtet? Der musste es schließlich wissen! Geld allein hätte Wulf nie bewogen, den Auftrag anzunehmen (obwohl es sich zugegebenermaßen um einen schönen Batzen handelte, mit dem er eine Werkstatt gründen wollte). Nein, letztlich hatte sein Entsetzen über die Verwerflichkeit dieses Mannes den Ausschlag gegeben. Sie spottete jeder Beschreibung.
    Bis nach Italien hatte Wulf die Pilgergruppe verfolgt, weil sein Auftraggeber darauf bestand, die Tat so fern wie möglich der Heimat auszuführen. Immerhin waren Italien und besonders Rom dafür berüchtigt, dass es dort von Plünderern und Wegelagerern nur so wimmelte! Der junge Brangenberg würde sich zur Tatzeit im Norden aufhalten und sich, was den Tod seines Vaters betraf, die Hände in Unschuld waschen. Der Armbrustschütze aber würde für immer von einem Geheimnis umgeben bleiben, und das war Wulf recht. Bei dem Gedanken fühlte er sich mächtig und stark.
    Eine abenteuerliche und zugleich wunderbare Reise lag hinter Wulf. Die Alpen waren ihm wie ein Wunder erschienen, und der Anblick des Meeres überwältigte ihn dann so sehr, dass er fast weinen musste. Einmal, bei einer Pilgerherberge in den Bergen, war er nur knapp mit dem Leben davongekommen. Zwei Männer hatten ihm aufgelauert, wohl in der Hoffnung, sein großer Reisesack enthalte Kostbarkeiten – dabei war es nur die
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