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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste
Autoren: Thomas Keneally
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eigene Wohnung. Oskar nahm ihm das außerordentlich übel und machte niemand gegenüber ein Hehl daraus. Es scheint, daß er die Parallele zwischen seiner eigenen prekären Ehe und der zerbrochenen Ehe seiner Eltern nicht erkannte.
    Dank seiner guten geschäftlichen Kontakte, seiner Umgänglichkeit, seinem Verkaufstalent und seiner Trinkfestigkeit bekam er mitten in der Wirtschaftskrise den Posten des Verkaufsdirektors der Mährischen Elektrizitätswerke mit Sitz in Brunn und pendelte fortan zwischen Brunn und Zwittau. Und er reiste auch viel. Das sagte ihm zu.
    Der Tod seiner Mutter besiegelte gleichsam die Feindschaft zwischen Vater und Sohn Schindler, was sonderbar ist, wenn man bedenkt, daß die Frauen der Familie sehr wohl erkannten, wie ähnlich die beiden einander waren.
    Zum Begräbnis trug Schindler bereits das Hakenkreuz, Zeichen seiner Zugehörigkeit zur Partei Konrad Henleins. Weder seine Frau Emilie noch die Tanten billigten das, allerdings störte es sie auch nicht besonders; damals gehörten die meisten jungen Volksdeutschen in der Tschechoslowakei dazu, ausgenommen Sozialdemokraten und Kommunisten, und der junge Schindler war gewiß weder das eine noch das andere.
    Er war vor allem Verkäufer, und wenn man sich um Aufträge bemühte, war das Parteiabzeichen eine Hilfe.
    Obwohl er also reichlich zu tun hatte, entging ihm doch in den Monaten vor dem deutschen Einmarsch nicht, daß große Dinge in der Luft lagen, und er spürte Lust, daran teilzuhaben.
    Was immer nun seine Motive für den Beitritt zur Partei Henleins gewesen sein mögen, der nationalsozialistische Alltag wurde, als er dann kam, für ihn ebenso rasch eine Enttäuschung wie der eheliche Alltag. Offenbar hat er geglaubt, die Deutschen würden eine Art Sudetenrepublik bestehen lassen. Später sagte er, die brutale Behandlung der Tschechen von Seiten des neuen Regimes, die rechtswidrige Beschlagnahme tschechischen Eigentums habe ihn angewidert. Seine ersten bezeugten regimefeindlichen Handlungen fanden schon sehr bald nach Kriegsbeginn statt, und man darf ihm glauben, daß er von den frühen Terrormaßnahmen im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren, das im März 1939 von Hitler auf dem Hradschin ausgerufen wurde, überrascht war.
    Überdies waren jene beiden Menschen, deren Meinung er am höchsten schätzte - seine Frau und der ihm entfremdete Vater -, keinen Moment von den großdeutschen Ereignissen begeistert und behaupteten, Hitler müsse unweigerlich scheitern. Ihre Begründung zeugte nicht von großer Weltkenntnis, aber die hatte der junge Schindler damals ebenfalls nicht.
    Seine Frau glaubte einfach, Hitler werde dafür bestraft werden, daß er sich selber zum Gott erhoben habe. Schindler senior (sein Sohn erfuhr das über die Tanten) zog eine geschichtliche Parallele zu Napoleon, der an der Straße von Brunn nach Olmütz die Schlacht von Austerlitz zwar gewonnen, aber als Kartoffelbauer auf einer Insel im Atlantik geendet hatte(!). Das gleiche werde auch diesem Burschen widerfahren. Das Schicksal, so Schindler senior, sei kein Seil, sondern ein Gummiband, und je mehr man sich daran abstrampele, desto stärker werde man zurückgerissen.
    Sein Sohn mag damals noch kein geschworener Feind des Regimes gewesen sein, denn auf einer Gesellschaft in einem Sanatorium in Mährisch-Ostrau ließ er sich an einem Abend in jenem Herbst mit einem recht sympathischen Deutschen namens Eberhard Gebauer ein, der sich als Abwehroffizier zu erkennen gab, nachdem man einmal miteinander bekannt geworden war und ein paar Gläser getrunken hatte. Gebauer bot Schindler an, für die Abwehr tätig zu werden.
    Schindler habe Kunden jenseits der Grenze in Polen, in Westgalizien und Oberschlesien, er könne militärisch interessante Daten sammeln und an die Abwehr übermitteln, auch sei er seinem ganzen Charakter nach sehr geeignet, das Vertrauen von Fremden zu gewinnen und sie auszuhorchen Gebauer hatte sich informiert.
    Es ist möglich, daß Schindler auf dieses Anerbieten eingegangen ist, um auf diese Weise dem Wehrdienst zu entgehen. Grundsätzlich dürfte er aber auch keine Bedenken gegen eine deutsche Besatzung Polens gehabt haben. Ebenso wie dem jungen Abwehroffizier, der da neben ihm saß, dürfte ihm die Firma Großdeutsches Reich als solche noch gefallen haben, wenn auch nicht die Geschäftsführer. Gebauer könnte ihm auch als moralische Stütze gedient haben, denn der und seine Kameraden von der Abwehr hielten sich für anständige Menschen, was sie zwar
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