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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste
Autoren: Thomas Keneally
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wird, doch ist er davon überzeugt, daß, einerlei was geschieht, jüdische Arbeitskräfte auch weiterhin gebraucht werden. Deshalb die Ermahnung an Helena Hirsch: »Bleiben Sie gesund!« Er glaubt fest daran, und da draußen im Arbeitslager Plaszow teilen Juden, die keinen Schlaf finden, diesen seinen Glauben, daß kein gefährdetes Regime es sich leisten kann, kostenlose Arbeitskräfte einfach zu liquidieren. Auf Transport nach Auschwitz werden die Schwachen geschickt, die, die Blut spucken, an der Ruhr leiden. An diesem Winterabend ist es einerseits früh und andererseits spät für Schindler, wenn er sich daranmachen will, Leben zu retten. Schon ist er verstrickt, er hat Gesetze in einem Ausmaß gebrochen, das ihm mehrmals die Todesstrafe, eine Verschickung in die Baracken von Auschwitz oder Groß-Rosen eintragen muß. Noch ahnt er nicht, wie teuer ihn das alles zu stehen kommen wird. Schon hat er ein Vermögen aufgewendet, doch wieviel er noch wird zahlen müssen, weiß er nicht.
    Um nicht unglaubwürdig zu werden, lassen wir den Bericht beginnen mit einer alltäglichen Geste der Güte, einem Kuß, einem freundlichen Satz, einer Tafel Schokolade. Helena Hirsch wird ihre 4000 Zloty nie wiedersehen, jedenfalls wird sie die Banknoten nie wieder in der Hand haben und zählen, und doch hält sie es auch heute noch für ganz unerheblich, daß Schindler so achtlos mit Geld umgegangen ist.
     
    Kapitel 1
    Am 6. September 1939 umfaßten die motorisierten deutschen Divisionen unter General List, aus den Sudeten vorstoßend, das polnische Juwel an der Weichsel, Krakau, von zwei Seiten.
    Oskar Schindler folgte ihnen praktisch auf dem Fuße und machte die Stadt für die folgenden fünf Jahre zu der seinen. Zwar zeigte sich schon nach einem Monat, daß er sich vom Nationalsozialismus abgewandt hatte, doch hinderte ihn das nicht zu erkennen, daß Krakau mit seinen Bahnverbindungen und seiner noch bescheidenen Industrie unter dem neuen Regime florieren würde. Er wollte nicht mehr Handelsvertreter sein, er wollte Großunternehmer werden.
    In seiner Familiengeschichte findet sich nicht so leicht etwas, was erklärt, wie er dazu kam, den rettenden Engel zu spielen. Geboren wurde er am 18. April 1908 noch unter Franz Joseph im mährischen Bergland, in der Industriestadt Zwittau, wohin seine Vorfahren von Wien am Beginn des 16. Jahrhunderts zugewandert waren.
    Der Vater, Hans Schindler, fühlte sich in der Monarchie wohl,empfand sich als Österreicher, sprach bei Tische, im Geschäft, am Telefon und in zärtlichen Augenblicken deutsch, doch als er sich 1918 samt Familie als Bürger der tschechoslowakischen Republik eines Masaryk und Benesch wiederfand, scheint ihm das keinen besonderen Kummer verursacht zu haben, und seinem damals zehnjährigen Sohn schon gar nicht. Hitler hat von sich behauptet, bereits als Kind unter der politischen Trennung Österreichs von Deutschland gelitten zu haben, doch wurde das Kind Oskar nicht das Opfer einer vergleichbaren Neurose. Die Tschechoslowakei war eine unversehrte, kleine Republik, und die deutschsprachigen Bürger ertrugen ihren Minderheitenstatus ziemlich gleichmütig, allerdings verschlechterten sich die Beziehungen später dank der Wirtschaftskrise und einiger törichter behördlicher Übergriffe.
    Zwittau war eine kleine, von Kohlenstaub bedeckte Stadt am Südrand des Gesenke genannten Berglandes; die Berge waren teils von Industriebetrieben verwüstet, teils von Lärchen, Kiefern und Fichten bestanden.
    Die sudetendeutschen Bürger unterhielten hier eine deutsche Schule, die Oskar besuchte. Er legte das Abitur auf dem Realgymnasium ab, das den Nachwuchs an den in dieser Gegend benötigten Technikern lieferte.
    Vater Schindler betrieb eine Landmaschinenfabrik, und Oskar sollte sie einmal erben.
    Die Familie Schindler war katholisch, ebenso wie die Familie Göth; der Sohn Amon machte um eben diese Zeit sein Abitur an einem Wiener Realgymnasium.
    Oskars Mutter Luise war fromm; sonntags rochen ihre Kleider nach Weihrauch, wenn sie vom Hochamt kam. Ihr Mann Hans war einer jener Ehemänner, die ihre Frauen der Kirche in die Arme treiben, er trank gern Cognac, ging ins Kaffeehaus, roch nach gutem Tabak und war überhaupt ein Genußmensch. Man bewohnte eine moderne Villa mit Garten in dem der Industrie abgewandten Teil der Stadt. Oskar hatte eine Schwester, Elfriede. Sonst ist über das Familienleben von Schindlers wenig bekannt, abgesehen davon, daß die Mutter sich grämte, weil ihr Sohn,
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