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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste
Autoren: Thomas Keneally
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der Rüstungsinspektion kenne? Beispielsweise den General Julius Schindler? Das sei womöglich ein Verwandter? Nun, wennschon, meinte Schindler lässig, der General sei, verglichen mit anderen, durchaus nicht übel. (Verwandt waren die Herren nicht.) Aue fand das auch, allerdings würde der General ihn nie zum Essen oder auf ein Glas Wein bitten, da lag der Unterschied. Auf dem Rückweg ins Büro kamen sie an Itzhak Stern vorbei, dem Hauptbuchhalter, der auf einem Stuhl im Flur wartete und erbärmlich hustete. Als die beiden Eroberer vorübergingen, stand er auf und legte die Hände vor der Brust zusammen. Im Büro bot Aue zutrinken an, entschuldigte sich und ließ Schindler am Kaminfeuer allein, um sich mit Stern zu besprechen.
    Stern war ein sehr magerer Mensch und hatte das etwas trockengelehrte Gebaren eines Talmudschülers, aber auch das des europäischen Intellektuellen. Aue berichtete knapp und überreichte Stern die wertlosen Geldscheine. »Ich nehme an, so was kommt jetzt häufig in Krakau vor, und ich könnte mir denken, daß Sie sich für die Buchhaltung eine Methode ausgedacht haben, damit fertig zu werden.«
    Stern betrachtete die Geldscheine. Ja, eine solche Methode gebe es, und ohne eine Miene zu verziehen, trat er an den offenen Kamin am Ende des Raumes und warf das Geld ins Feuer. »
    Solche Verluste verbuche ich unter >Gratisproben<.« Seit September hatte er zahlreiche Gratisproben zu verbuchen gehabt.
    Aue gefiel Sterns trocken sachliches Verfahren. In den hageren Zügen des Buchhalters sah er die kleinstädtische Schläue und mußte lachen. Wirklich Bescheid wußten eben doch nur die Einheimischen. Und dort drinnen im Büro saß Herr Schindler und war dieser Kenntnisse bedürftig.
    Also nahm Aue den Buchhalter mit ins Büro, wo Schindler gedankenverloren am Kamin stand, in der Hand sein Taschenflakon. Stern dachte bei Schindlers Anblick sogleich: Mit dem ist nicht gut Kirschen essen. Aue trug am Aufschlag ein kleines Hakenkreuz, so nachlässig, wie man ein beliebiges Vereinsabzeichen trägt, während an Schindlers Aufschlag das große Parteiabzeichen prangte. Das Abzeichen, die Wohlhäbigkeit, die Schindler ausstrahlte, und seine eigene Grippe empfand Stern als bezeichnend für die Lage eines polnischen Juden in jenem Herbst.
    Aue übernahm die Vorstellung. Einer Verordnung folgend, gab Stern sich sogleich als Jude zu erkennen.
    »Na wenn schon«, grollte Schindler. »Ich bin Deutscher.«
    Schön und gut, dachte Stern hinter seinem Schnupftuch, dann könntest du vielleicht diese Verordnung aufheben.
    Stern mußte bereits jetzt, wenige Wochen nach Beginn der Besetzung, eine ganze Anzahl solcher Verordnungen einhalten. Frank hatte sechs die Juden betreffende Verordnungen erlassen und ließ weitere durch den Brigadeführer und Chef des Distrikts Dr. Wächter in Kraft setzen. Stern mußte sich also nicht nur als Jude erkennbar machen, er hatte auch stets eine mit einem gelben Streifen versehene Kennkarte bei sich zu führen. Als er jetzt hustend in Aues Büro stand, waren das Verbot des koscheren Schlachtens und die Kommandierung von Juden zur Zwangsarbeit drei Wochen alt. Sterns Lebensmittelzuteilung für Untermenschen betrug knapp die Hälfte jener für nichtjüdische polnische Untermenschen.
    Und am 8.November hatte die Registrierung aller Krakauer Juden begonnen, die bis zum 2,4. abgeschlossen sein sollte.
    Stern war gescheit genug vorherzusehen, daß immer weitere Verordnungen ihm das Überleben, ja das bloße Luftholen mehr und mehr erschweren würden. Die meisten Krakauer Juden sahen ähnliches vorher. Man würde die jüdische Landbevölkerung zur Zwangsarbeit in die Stadt transportieren und jüdische Intellektuelle zur Landarbeit schicken.
    Auch war mit sporadischen Massenmorden zu rechnen wie in Tursk, wo eine Artillerieabteilung der SS Juden zum Brückenbau kommandiert und anschließend in der Synagoge erschossen hatte. So etwas würde sich wiederholen. Doch mit der Zeit würde Ruhe einkehren, die Juden würden überleben, wie sie seit den Zeiten des römischen Reiches immer überlebt hatten: durch ein Arrangement mit den herrschenden Kräften. Die Behörden würden die Dienste der Juden benötigen, zumal in einem Lande, in dem jeder elfte Bewohner Jude war.
    Stern allerdings teilte diesen Optimismus nicht, er glaubte nicht daran, daß die Dinge in absehbarer Zeit zwar üble, doch erträgliche Formen annehmen würden. Die Zeiten waren denkbar schlimm. Zwar ahnte er nicht, daß das, was
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