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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste
Autoren: Thomas Keneally
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belustigt: »Und woher wissen Sie, was die Behörden beabsichtigen?«
    »Ich lese das Berliner Tageblatt. Auch als Jude darf man doch deutsche Zeitungen lesen.«
    Schindler fuhr fort zu lachen und legte Stern die Hand auf die Schulter. »Was Sie nicht sagen!«
    Stern wußte davon, weil Aue ein Rundschreiben vom Staatssekretär Eberhard von Jagwitz aus dem Reichswirtschaftsministerium erhalten hatte, das von der Arisierung jüdischer Betriebe handelte.
    Aue hatte sich von Stern eine Zusammenfassung machen lassen. Jagwitz hatte mit Bedauern angedeutet, es sei damit zurechnen, daß andere Reichsbehörden und auch Parteidienststellen, etwa Heydrichs Reichssicherheitshauptarnt (RSHA), darauf drängen würden, nicht nur die Betriebe als solche zu arisieren, sondern auch die Betriebsleitungen und Belegschaften. Jüdische Spezialisten seien also tunlichst von den Treuhändern zu entfernen, immer vorausgesetzt, die Produktion leide nicht darunter.
    Schindler steckte die Bilanz von Rekord wieder ein und ging mit Stern in die Buchhaltung.
    Hier, in Anwesenheit von Schreibern und Buchhaltern, entspann sich eine philosophische Unterhaltung, wie Schindler sie schätzte. Schindler sagte unter anderem, das Christentum wurzle im Judentum, ein Umstand, der ihn immer schon frappiert hatte, möglicherweise seit seinem Umgang mit den jüdischen Nachbarskindern. Stern erwiderte behutsam. Er war ein gelehrter Mann, hatte religionsvergleichende Abhandlungen publiziert. Schindler, der sich fälschlich für einen Philosophen hielt, war auf einen Fachmann gestoßen. Stern, der als ein Pedant galt, fand Schindlers Kenntnisse oberflächlich. Darüber wollte er sich nun keineswegs beklagen. So entstand eine sonderbare Freundschaft. Stern legte dar, warum er an Hitlers Erfolg nicht glaubte, wobei er sich, wie Schindlers Vater, auf Beispiele aus der Weltgeschichte berief. Dies unterlief Stern, bevor er sich bremsen konnte. Die Juden im Büroraum hielten den Atem an. Schindler schien keinen Anstoß zu nehmen. Und dann machte er doch noch eine unvermutete Bemerkung: Es müsse den Kirchen heutzutage doch schwerfallen, ihren Gläubigen einzureden, daß ohne Gottes Willen kein Spatz vom Himmel falle, ein Menschenleben sei schließlich keine Schachtel Zigaretten mehr wert. Stern stimmte zu, gab aber zu bedenken, daß Schindlers Bibelzitat durch eines aus dem Talmud ergänzt werden müsse, das besagt, wer ein einziges Menschenleben rette, der rette die ganze Welt.
    »Gewiß, gewiß«, bemerkte Schindler nur, doch Stern hat seither fest geglaubt, daß er damit im genau richtigen Moment das richtige Saatkorn in die Furche fallen ließ.
     
    Kapitel 3
    Noch ein anderer Krakauer Jude weiß von einer Begegnung mit Schindler in jenem Herbst zu berichten, noch dazu von einer, bei der er Schindler beinahe erschossen hätte. Sein Name ist Leopold (Poldek) Pfefferberg, und er war bis zur tragischen Niederlage Kompaniechef in der polnischen Armee gewesen. Am Sari hatte er eine Beinverwundung davongetragen und anschließend als Genesender im Lazarett von Przemysl bei der Versorgung von Verwundeten geholfen. Er war zwar kein Arzt, hatte aber als diplomierter Turnlehrer und Absolvent der Universität Krakau anatomische Kenntnisse. Er war damals siebenundzwanzig, voller Selbstvertrauen, nicht unterzukriegen und von stämmigem Wuchs.
    Pfefferberg war mit einem Transport gefangener Offiziere unterwegs nach Deutschland, als sein Zug in Krakau hielt, die Gefangenen in den Wartesaal erster Klasse geführt und dort bis zum Abgang eines anderen Zuges festgehalten wurden. Seine Wohnung lag unweit vom Bahnhof, und es kam ihm albern vor, daß er nicht die nächste Straßenbahn der Linie i besteigen und heimfahren sollte.
    Der bäurisch aussehende Wachtposten an der Tür sollte doch wohl kein Hindernis sein.
    Pfefferberg besaß ein von der deutschen Lazarettverwaltung in Przemysl ausgestelltes Dokument, das ihm erlaubte, zwecks Versorgung der Verwundeten beider Seiten sich frei in der Stadt zu bewegen, ein Dokument mit schönen Stempeln und Unterschriften. Das hielt er nun dem Posten unter die Nase. »Können Sie deutsch lesen?« fragte er dabei. So was wollte gekonnt sein, man brauchte dazu unangeschlagenes Selbstvertrauen und genau jene herablassende Haltung, welche typisch war für das hauptsächlich aus Aristokraten bestehende polnische Offizierskorps, und die wunderbarerweise auch auf die wenigen in dieser Armee dienenden jüdischen Offiziere abgefärbt hatte.
    Der Posten
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