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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition)
Autoren: Ingrid Law
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mitfahren wolle. Hin- und hergerissen schaute der arme Will zu dem Streifenwagen; ich konnte mir gut vorstellen, dass er für sein Leben gern vorn bei seinem Vater gesessen hätte, als wäre er selbst ein Polizist. Aber dann schaute er zu mir.  
    »Nächstes Mal?«, sagte er zu seinem Vater und lächelte verlegen.  
    »Fahr nur mit deinen Freunden.« Bill lachte, zauste Will junior das Haar, dann zog er ihn noch mal an sich, drückte ihn und klopfte ihm auf den Rücken.  
    »Du hast deinen Poppa bestimmt auch vermisst«, sagte ich zu Will, als wir im Bus saßen.  
    Er zuckte die Achseln, dann drückte er meine Hand. »Es läuft nicht immer alles so, wie man sich das vorstellt, Mibs«, sagte er. Darüber dachte ich nach und dann dachte ich an meinen eigenen Poppa im Krankenhaus. Ich dachte daran, dass mein Schimmer nicht so funktionierte wie erhofft und dass unsere Reise nach Salina eine Reise mit Hindernissen war. Da fiel mir ein, was Lill letzte Nacht im Motel vorm Einschlafen gesagt hatte …  
    »Wenn etwas Schlechtes passiert, kann man nie wissen, ob es nicht doch sein Gutes hat.« Ich begriff, dass Gutes und Schlechtes immer da waren, miteinander verwoben. Allerdings wusste ich nicht recht, ob mir das im Moment irgendwie weiterhalf.  

34. Kapitel
     
    Je näher wir Salina kamen, desto grüner wurde die Welt, die hügelige Prärie verwandelte sich in fruchtbares bewässertes Ackerland. Nachdem wir Samson hinter der Wandvertäfelung in Carlenes Wohnwagen gefunden hatten, hatte sich Fishs Sturm über dem Tuttle Creek Lake sofort verzogen. Jetzt riss das grellweiße Licht der Frühlingssonne den Himmel wieder auf. Doch trotz Sonnenschein und knallgrüner Landschaft waren meine Gedanken dürr, düster und schwarzweiß. Ich konnte nur an Poppa denken.  
    Will junior und ich saßen weit vorn im Bus, damit er den Streifenwagen seines Vaters im Blick hatte. Fish und Bobbi saßen auf der anderen Seite des Ganges und achteten nicht auf die Sozialarbeiterin direkt hinter ihnen. Bobbi kaute Kaugummi und lackierte sich die Nägel mit rotem Nagellack aus dem Super-Supermarkt, bei jedem Hubbel auf der Straße leise fluchend, und Fish lehnte mit geschlossenen Augen am Fenster. Ich wusste, dass er nicht schlief. Wahrscheinlich dachte er an Poppa, genau wie ich. Ich bekam die Worte von Officer Meeks nicht aus dem Kopf. Ich konnte nicht vergessen, was er über Poppa gesagt hatte.  
    »Er braucht jetzt seine Familie um sich.« Das klang furchtbar … Es klang hoffnungslos.  
    Da Samson nicht an dem Polizisten vorbeikam, der im hinteren Teil des Busses postiert war, hatte er sich vorn bei Lill zusammengekauert, den Kopf in ihrem Schoß. Lill verbrauchte sämtliche Desinfektionstücher aus dem neuen Verbandskasten, um Samsons Arme und Hände von der schwarzen Farbe zu befreien. Die Farbe gurgelte und zitterte, als sie herunterkam, das Durcheinander in meinem Kopf verdichtete sich zu einer einzigen deutlichen Stimme, die mir ins Herz stach, bevor sie weggeschrubbt wurde.  
    Stark für Poppa.   
    Stark für Poppa …   
    Wir mussten noch einen letzten Abschnitt auf der Fernstraße fahren, ein letztes langsames Padam-Padam von Kilometern und Ausfahrten, und ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht zu fragen: »Wie lange noch? Wie lange noch? Wie lange noch?«  
    Es kam mir vor wie eine Ewigkeit plus eine Stunde, ehe Lester hinter Bill Meeks’ Streifenwagen bei der Ausfahrt Nummer 252 abfuhr, dann vorbei an einem Schild mit einem großen weißen H wie Hospital , das uns zeigte, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Ich zitterte, als ich den schlichten, kalkweißen Buchstaben sah. Es bedeutete, dass wir fast da waren, endlich fast bei Poppa.  
    Bill bog links ab, fuhr unter der Fernstraße hindurch und auf die Ninth Street bis ins Stadtzentrum von Salina. An allen Kreuzungen waren die Ampeln durchgeknallt, sie sahen aus wie senkrechte Reihen leerer Augenhöhlen. Fahrzeuge schoben sich schleichend über die befahreneren Straßen, und obwohl Sonntagnachmittag war, staute sich der Verkehr. Straßenarbeiter waren im Einsatz, um das kaputte rote, gelbe und grüne Glas zu ersetzen; die Stadt hatte sich von den Folgen des Stromausfalls offenbar noch nicht ganz erholt. Ich schluckte schwer; ich hatte noch nie gesehen, dass Rocket so ein Chaos angerichtet hatte. Mein Zittern wurde noch stärker. Vielleicht war es doch nicht so eine gute Idee von Momma gewesen, sich von Rocket nach Salina fahren zu lassen. Ich
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