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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition)
Autoren: Ingrid Law
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und die Verandaschaukel schwang so heftig vor und zurück, dass Poppa und ich fast heruntergefallen wären.  
    »Mann! Nicht so doll!« Ich lachte.  
    »’tschuldigung«, sagte Fish mit einem frechen Grinsen und blies uns noch einmal an, diesmal eine Spur sanfter.  
    Die Fliegengittertür knarrte erst, dann schlug sie zu und Momma trat auf die Veranda, die Schürze vollkommen sauber und die Wangen rosig von der Arbeit in der Küche. Sie schaute uns alle an.  
    »Wo ist …?«  
    »Samson ist oben«, sagte ich. »Er hilft Rocket beim Packen.«  
    »Wie ich Samson kenne, hat er sich wahrscheinlich direkt in einen Koffer gepackt«, murmelte Fish. »Den findet keiner, bis Rocket bei Onkel Autry angekommen ist.«  
    Rocket, der jetzt achtzehn war und tun und lassen konnte, was er wollte, würde am nächsten Morgen in den Bus nach Wyoming steigen, um den Sommer oder vielleicht noch mehr bei Mommas Bruder und seiner Familie zu verbringen, an einem Ort, der noch abgelegener war als Kansaska-Nebransas. Auf Onkel Autrys Ranch war es egal, wie viele Funken Rocket versprühte. Meilenweit gab es niemanden, der es bemerken könnte oder den es kümmern würde.  
    Momma und Opa hatten Rocket zu überzeugen versucht, dass er seine Sache gut machte, dass er seine Funken so gut lasieren konnte, wie man es von einem jungen Mann erwarten konnte, und dass er, wenn er sich noch ein wenig anstrengte, in ein paar Jahren gar keine Probleme mehr haben würde. Aber nach dem Tag vor einem Jahr im Salina Hope Hospital war Rocket nie wieder ganz der Alte geworden. Er hatte seinen Hochmut und seine Großspurigkeit verloren. Nicht ein einziges Mal hatte Rocket seither mit seinem Schimmer geprahlt oder mich mit meinem aufgezogen. Mit brüderlichem Stolz und stillem Neid hatte er zugesehen, wie Fish seine Stürme beherrschte. Doch in Wyoming würde Rocket die Weite haben, dort konnte er draußen arbeiten und unter dem Sternenhimmel schlafen, er hatte Platz genug und sein elektrischer Schimmer würde nicht mehr so auf ihm lasten.  
    »Wie sollen wir das Auto ohne dich zum Laufen kriegen?«, hatte ich Rocket gefragt, als er von der Einladung von Onkel Autry erzählt hatte.  
    Rocket hatte gekichert und zum Spaß ein paar Funken fliegen lassen. »Tja, dann muss Poppa sich wohl geschlagen geben und der alten Schrottkiste eine neue Batterie verpassen«, sagte er.  
    Es würde merkwürdig sein, wenn Rocket nicht mehr da war, zumal Fish seinen Schimmer jetzt so gut lasieren konnte, dass er im Herbst auf die Highschool in Hebron durfte. Bald würde ich die Einzige sein, die Moos in Einmachgläsern züchtete und mit Momma Bilder malte und zu Hause unterrichtet wurde. Mein Schimmer konnte zwar niemandem wehtun und kein Unheil anrichten, aber Momma und ich hatten trotzdem entschieden, dass ich zu Hause blieb, sicherheitshalber.  
    »Ein oder zwei Jahre, in denen du Kraft sammeln und lernen kannst, deinen Schimmer zu lasieren, können dir nicht schaden, Mibs«, hatte Momma gesagt. »Danach kannst du es dann mit der Welt aufnehmen.«  
    Momma merkte nicht, dass ich es schon mit der Welt aufgenommen und gesiegt hatte. Ich hatte mich an die vielen Stimmen in meinem Kopf gewöhnt und wusste, auf welche ich achten und welche ich überhören musste. Dasselbe galt für all die Stimmen außerhalb meines Kopfes, und diese neue Stärke stand mir offenbar auf die Stirn geschrieben, denn als ich das nächste Mal Ashley Bing und Emma Flint in Hebron in die Arme lief, hielten die beiden den Mund, und nicht einmal ein Echo von »Missi-Pissi« drang an mein Ohr.  
    »Kommt dein Freund auch zu deinem Geburtstag?«, fragte die Meerjungfrau mitten in meine Gedanken über Rockets Abreise hinein.  
    »Ja, Poppa«, sagte ich. »Will kommt nach dem Mittagessen rüber.«  
    Wie sich zeigte, hatten weder Gott noch Miss Rosemary mir meine falschen Entscheidungen allzu lange nachgetragen, nachdem wir mit dem großen rosa Bus abgehauen waren. Wir Beaumonts gingen jetzt wieder in die Kirche zu Pastor Meeks und seiner Familie, und Will und Bobbi besuchten uns regelmäßig in Kansaska-Nebransas.  
    »Und dieses Mädchen …?«, unterbrach die Meerjungfrau wieder meine Gedanken.  
    »Bobbi kommt auch, Poppa«, antwortete ich mit einem Lachen. »Sie will sich von Rocket verabschieden, bevor er abreist.«  
    »Umpf«, machte Poppa laut, und die Meerjungfrau schlug mit dem Schwanz. Poppa tat immer so, als könnte er Will und Bobbi nicht leiden. Ich nehme
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