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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition)
Autoren: Ingrid Law
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wollte nur zu meinem Poppa!« Und mit diesen Worten brach ich in Tränen aus.  

33. Kapitel
     
    Als ich erst mal angefangen hatte zu weinen, auf dem Boden des schummrigen Wohnzimmers, immer noch fast hundert Kilometer vom Salina Hope Hospital und von Poppa und Momma und Rocket entfernt, da konnte ich nicht mehr aufhören. Und es war kein feines, zartes Weinen. Es war eine Riesenheulerei mit Rotz und Schnodder, Stammeln und Schluchzen. Will ging einen Schritt von seinem Daddy weg, kniete sich neben mich und nahm meine Hand. Samson lehnte sich an mich. Die Sozialarbeiterin ging ins Bad und holte eine Schachtel Papiertaschentücher, aber alle, die ich herauszog, rochen nach Mottenkugeln und Carlene, und da musste ich nur noch mehr weinen.  
    »Du bist bestimmt Mississippi Beaumont«, sagte Bill behutsam.  
    »Sie wird lieber Mibs genannt, Dad«, sagte Will zu meiner Rettung.  
    Bill zog einen Stuhl zu mir herüber und setzte sich auf die Kante. »Stimmt das, Mibs?«, fragte er.  
    Ich nickte mit einem heftigen Schluchzer und versuchte mich zu beruhigen, um nicht gleich den allerschlechtesten Eindruck zu machen. Ich sah, dass Bill zu Wills Hand auf meiner schaute, und einen Moment lang sah Officer Meeks fix und fertig aus und so jung wie nur was.  
    »Du hast in den letzten Tagen viel mitgemacht«, sagte Bill sanft, und da hätte ich am liebsten noch mehr geheult. »Ich weiß, dass dein Dad in Salina im Krankenhaus liegt, und du wolltest sicher zu ihm fahren, stimmt’s?«  
    Wieder ein Nicken mit großem Schluchzer.  
    »Dann ist es vielleicht das Beste, wenn wir das einfach machen.«  
    Alle schauten Bill Meeks an, als fragten sie sich, ob sie richtig gehört hätten. Selbst die Sozialarbeiterin sah verdattert aus.  
    »Officer, Sie können doch nicht …«, setzte sie an, verstummte jedoch, als Bill sie mit festem Blick ansah.  
    Bill bat die Sozialarbeiterin, uns ein wenig Zeit zum Reden zu lassen. Er wollte die ganze Geschichte von A bis Z aus unserem Mund hören. Wir erzählten alle gemeinsam, während die Sozialarbeiterin sich an der Wand auf einen Stuhl setzte. Bill hörte aufmerksam zu, ohne uns zu unterbrechen, hin und wieder fuhr er sich mit der Hand durch das kurzgeschorene Haar.  
    Als wir zu Ende erzählt hatten, saß Bill eine Weile da und sagte gar nichts.  
    »Geht es unserem Poppa gut?« Eine kleine Stimme fiel wie ein Kieselsteinchen in die Stille und kräuselte die Spannung, die in der Luft lag, wie tiefes Wasser. Da die ganze Zeit Samsons wilder Gedankenmix durch mein Gehirn strömte, begriff ich nicht gleich, dass er laut gesprochen hatte. Ich versuchte zu schlucken, doch meine Kehle war zu rau und zu eng, während ich auf Bills Antwort wartete.  
    Officer Meeks schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Neuigkeiten über euren Dad, aber ich werde sehen, ob ich etwas in Erfahrung bringen kann. Ich muss mit ein paar Leuten hier sprechen und entscheiden, wie es weitergehen soll. Ihr wartet hier. In ein paar Minuten bin ich wieder da.« Er ging hinaus, um sich mit den anderen Polizisten zu beraten. Als er ging, fragte ich mich unweigerlich, ob seine Haare, wenn sie länger wären, wohl auch so lockig wären wie die seines Sohnes, und die letzten Tränen rannen mir vom Kinn; jetzt hatte ich rote Augen und Kopfschmerzen. Ich sah, wie Bill mit Lester sprach, dann mit Lill, dann mit Carlene. Ich hörte das langsame Ticktack einer Uhr irgendwo in der Küche, als wäre die Batterie bald leer oder als hielte auch die Uhr den Atem an, gespannt darauf, wie es weiterging.  
    Nachdem Bill mit Carlene und dann noch mit einigen weiteren Polizisten gesprochen hatte, telefonierte er endlos lange mit seinem Mobiltelefon, und als er wieder in den Wohnwagen kam, hatte er etwas Hartnäckiges, Halsstarriges an sich. Er setzte sich nicht wieder hin, sondern blieb in voller Größe vor uns stehen; er sah aufrecht und standfest aus mit der feschen Uniform, dem Dienstabzeichen, der Pistole und der Polizistenmiene. Er sprach erst zu mir, dann zu Fish und Samson, die Worte klangen routiniert und formell, doch der Ton war weich und freundlich.  
    »Es tut mir sehr leid, euch sagen zu müssen, dass sich der Zustand eures Vaters nicht gebessert hat. Er ist – also, er braucht jetzt seine Familie um sich. Es ist wichtig, dass wir bald nach Salina kommen.«  
    Fish rutschte vom Sofa und setzte sich neben Samson auf den Boden. »Wir müssen jetzt stark sein für Poppa«, sagte er, legte einen Arm um
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