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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition)
Autoren: Ingrid Law
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unseren kleinen Bruder und drückte dabei kurz meine Schulter. Weil Fish so erschöpft war, wehte nur eine ganz leichte Brise durchs Zimmer, und da die Wohnwagentür noch immer aufgebrochen war, wunderte sich niemand über das bisschen Wind. Samson nickte nur stumm, doch seine überlappende Stimme in meinem Kopf wurde unruhiger und weniger melodisch, wie eine Schar aufgeregter Gänse. Ich konnte immer noch keine einzelnen Gedanken heraushören – obwohl mein kleiner Bruder so laut dachte, blieb sein Innerstes ein Geheimnis, selbst für meinen Schimmer.  
    Bill Meeks machte eine Pause, ehe er fortfuhr. Dann wandte er sich an uns alle fünf. »Ihr Kinder habt in den letzten vierundzwanzig Stunden ganz schön viel Ärger gemacht. Viele Leute haben eine Menge Zeit und Energie darangesetzt, euch zu finden, und ihr habt euren Familien einen Riesenschreck eingejagt.« Er sah uns lange streng an, bis wir uns alle am liebsten unter dem Wohnwagen verkrochen und nicht wieder hervorgekommen wären. Dann atmete er tief durch die Nase ein und lächelte mitfühlend, zwinkerte Will verschwörerisch zu, bevor er leiser weitersprach, mit einem Seitenblick zu der Sozialarbeiterin an der Wand.  
    »Ich weiß, wie schnell man falsche Entscheidungen treffen und in Schwierigkeiten geraten kann, aber es muss nicht immer schlecht ausgehen. Es wird natürlich Konsequenzen geben, aber es wurde ja keiner verletzt, ihr wolltet niemandem schaden. Soweit ich weiß, wird keiner die Leute hier anzeigen. Mr Swan und Miss Kiteley haben vielleicht einige unkluge Entscheidungen getroffen, doch sie haben gut auf euch aufgepasst und dafür gesorgt, dass euch nichts zugestoßen ist.«  
    »Dann müssen Lester und Lill nicht ins Gefängnis?«, sagte ich und schaute Wills Vater an.  
    »Nein, Mibs, sie müssen nicht ins Gefängnis.« Bills Lächeln wurde breiter. »Ich brauche jetzt sogar ihre Hilfe.«  
    »Echt?«, sagte Bobbi.  
    »Nun ja, irgendwer muss euch ja nach Salina fahren, oder? Im Streifenwagen wäre es doch ein bisschen eng, und ich glaube, Lill und Lester würden gern sehen, dass ihr dort ankommt.«
    Vor lauter Erleichterung hätte ich fast wieder losgeheult. Lester und Lill würde nichts passieren, und ich war bald bei meiner Familie. Ich hätte Bill Meeks gern aus tiefstem Mus-und-Muskel-Herzen gedankt, aber mir fehlten die Worte. Zum ersten Mal wünschte ich mir, mein Schimmer würde auch umgekehrt funktionieren. Dann hätte ich mir ein Smiley auf die Haut gemalt und schon hätten alle gewusst, wie es mir ging, ohne dass ich ein Wort sagen müsste. Aber wie Bill mich anschaute, kam es mir vor, als wüsste er es auch so.  
    Die Sozialarbeiterin, die von Bills Plan immer noch nicht ganz überzeugt war, bestand darauf, uns in dem großen rosa Bibelbus zu begleiten, und verlangte, dass ein bewaffneter Polizist mitreisen müsse. Lester wollte uns Kinder sehr gern wieder mitnehmen, aber die Vorstellung, zusätzliche offizielle Mitreisende zu haben, machte ihn nervös.  
    »Das ist gar kein Problem, Lester«, sagte Lill beruhigend. »Ich bleibe vorn bei dir. Wir können deine nächste Lieferung besprechen, wenn du möchtest. Vielleicht können wir sogar besprechen, wie du deine eigene Bibel-Spedition gründen kannst.«  
    »Meine eigene Sp-Spedition, Lill?«, sagte Lester verblüfft, und jetzt vergaß er ganz, dass ein Polizist in seinen Bus einstieg.
    »Na klar, Lester«, sagte sie. »Du hast das Zeug dazu.«  
    »Warum hast du so lange gebraucht, bis du in mein Leben getreten bist, Lill?«, sagte Lester seufzend, schüttelte den Kopf und starrte auf seine Füße. »Hätte ich d-dich doch bloß schon vor Jahren kennengelernt.«  
    »Ich komme immer zu spät, Lester«, sagte Lill und lachte. »Dieses Talent verfolgt mich.«  
    Ich schaute zu, wie Lill Lester die Sorgen nahm, und dachte daran, wie gut und freundlich sie war und in was für Schwierigkeiten ich sie gebracht hatte. Lill machte uns gar keine Vorhaltungen, weil wir sie im Motel hintergangen hatten, aber sie wollte wissen, wie wir es angestellt hatten.  
    »Ihr seid schlauer, als die Polizei erlaubt«, sagte sie, nachdem wir uns entschuldigt und erklärt hatten, wie wir das Gespräch mit Miss Rosemary vorgetäuscht hatten. Lill nahm uns alle der Reihe nach in die Arme. »Die Welt muss sich vor euch hüten. Ihr werdet noch so einiges anstellen.«  
    Bill wollte mit seinem Streifenwagen als Eskorte bis nach Salina vorausfahren und fragte Will, ob er bei ihm
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