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Schiffbruch Mit Tiger

Schiffbruch Mit Tiger

Titel: Schiffbruch Mit Tiger
Autoren: Yann Martel
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Ideen ein Säufer kommt? Ich kann Ihnen nur sagen, wie es war. Die Tiere waren nicht mehr in ihren Käfigen.«
    MrOkamoto: »Entschuldigen Sie, wenn ich nachfrage. Sie hatten also Zweifel an der Tüchtigkeit der Mannschaft?«
    »Große Zweifel.«
    »Haben Sie auch Offiziere gesehen, die unter Alkoholeinfluss standen?«
    »Nein.«
    »Aber Mannschaftsmitglieder unter Alkoholeinfluss, die haben Sie gesehen?«
    »Ja.«
    »Und die Offiziere? Waren sie für Ihre Begriffe sachkundig und tüchtig?«
    »Wir hatten kaum etwas mit ihnen zu tun. Sie kamen nie in die Nähe der Tiere.«
    »Ich meine die Arbeit der Offiziere auf dem Schiff.«
    »Woher soll ich das wissen? Meinen Sie, wir hätten jeden Tag mit ihnen Tee getrunken? Sie sprachen Englisch, aber besser als die Mannschaft waren sie auch nicht. Sie ließen uns spüren, dass wir in der Messe nicht willkommen waren, und sprachen bei den Mahlzeiten kaum ein Wort mit uns. Sie redeten weiter auf Japanisch miteinander, als wären wir gar nicht da. Wir waren ja nur arme Inder mit einer lästigen Ladung. Am Ende haben wir lieber allein in Vaters und Mutters Kabine gegessen. ›Das Abenteuer winkt!‹, hat Ravi immer gesagt. Nur deswegen war es überhaupt auszuhalten - weil es für uns ein Abenteuer war. Wir haben ja fast den ganzen Tag Kot geschaufelt und Käfige sauber gemacht und Tiere gefüttert, und Vater war gleichzeitig Veterinär. Solange es den Tieren gutging, ging es auch uns gut. Ob die Offiziere ihre Arbeit getan haben, weiß ich nicht.«
    »Sie sagen, das Schiff hatte Schlagseite nach Backbord?«
    »Ja.«
    »Und hinten hing es tiefer im Wasser?«
    »Ja.«
    »Es sank also mit dem Heck zuerst?«
    »Ja.«
    »Nicht mit dem Bug voran?«
    »Nein.«
    »Das heißt, es ging vom Vorder- zum Hinterende abwärts, nicht umgekehrt. Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Ist das Schiff mit einem anderen zusammengestoßen?«
    »Ich habe kein anderes Schiff gesehen.«
    »Ist es mit etwas zusammengestoßen, das im Meer schwamm?«
    »Nichts, was ich gesehen hätte.«
    »Ist es auf Grund gelaufen?«
    »Nein, es versank einfach im Meer.«
    »Von Maschinenschäden nach dem Auslaufen aus Manila wissen Sie nichts?«
    »Nein.«
    »Hatten Sie den Eindruck, dass das Schiff sachgemäß beladen war?«
    »Ich war das erste Mal auf einem Schiff. Ich habe keine Ahnung, wie ein sachgemäß beladenes Schiff aussehen müsste.«
    »Sie hatten den Eindruck, Sie hätten eine Explosion gehört?«
    »Ja.«
    »Gab es noch andere Geräusche?«
    »Tausend.«
    »Geräusche, die den Untergang des Schiffes erklären könnten, meine ich.«
    »Nein.«
    »Sie sagen, das Schiff sei binnen kurzem gesunken.«
    »Ja.«
    »Könnten Sie abschätzen, wie lange es dauerte?«
    »Das ist nicht leicht. Es ging sehr schnell. Weniger als zwanzig Minuten, würde ich sagen.«
    »Es gab viele Trümmer?«
    »Ja.«
    »Wurde das Schiff von einer besonders hohen Welle getroffen?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Aber es war stürmische See?«
    »Mir kam sie ziemlich rau vor. Es war windig und regnete.«
    »Wie hoch waren die Wellen?«
    »Hoch. Acht, zehn Meter.«
    »Das ist doch nicht viel.«
    »Sitzen Sie dabei mal in einem Rettungsboot.«
    »Ja, natürlich. Aber nicht viel für einen Frachter.«
    »Vielleicht waren sie auch höher. Ich weiß es nicht. Jedenfalls war das Wetter so schlecht, dass es mir eine Heidenangst machte.«
    »Sie sagen, danach sei das Wetter rasch wieder besser geworden. Das Schiff sank, und gleich danach herrschte wieder der schönste Sonnenschein. So haben Sie es uns doch beschrieben, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Hört sich eher nach einer kleinen Windbö an.«
    »Immerhin ist das Schiff davon gesunken.«
    »Das fragen wir uns eben.«
    »Meine ganze Familie kam dabei um.«
    »Das tut uns Leid.«
    »Nicht so sehr wie mir.«
    »Was ist also geschehen, MrPatel? Da tappen wir immer noch im Dunkeln. Alles war ganz normal, und dann ...?«
    »Dann ist es untergegangen.«
    »Aber warum?«
    »Das weiß ich nicht.
Sie
sind doch die Experten. Das sollten Sie
mir
sagen. Denken Sie nach!«
    »Wir verstehen es nicht.«
    [Langes Schweigen]
    MrChiba: »Was nun?«
    MrOkamoto: »Wir geben auf. Die Erklärung für den Untergang der
Tsimtsum
liegt auf dem Grund des Pazifiks.
    [Langes Schweigen]
    MrOkamoto: » Ja. Erledigt. Kommen Sie. MrPatel, ich glaube, jetzt haben wir alles, was wir brauchen. Wir möchten Ihnen für Ihre Mitarbeit danken. Sie waren uns eine sehr, sehr große Hilfe.«
    »Gern geschehen. Aber bevor Sie gehen, möchte ich Sie
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