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Schicksal in seiner Hand

Titel: Schicksal in seiner Hand
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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Sie kamen näher.
    Schwester Angelika wurde blaß. »Ich bekomme den größten Ärger, wenn der Chef Sie hier findet. Wo stecke ich Sie so rasch nur hin?«
    Dr. Bruckner stand immer noch im Chefzimmer und starrte zur Tür, die sich längst hinter dem Defilee der weißen Kittel geschlossen hatte.
    Er fühlte sich enttäuscht, gedemütigt und grenzenlos verlassen. Mutlosigkeit wollte ihn überkommen. Einen Augenblick lang war er sogar versucht, aufzugeben und diese ungastliche Stätte auf Nimmerwiedersehen zu verlassen.
    Aber das käme einer Flucht gleich. Man würde über ihn triumphieren und – diese Genugtuung gönnte er niemandem. Er mußte beweisen, was er konnte. Er mußte durchhalten.
    Nachdenklich trat er auf den Gang hinaus. Er wußte nicht, wohin er gehen, hatte keine Ahnung, was er jetzt tun sollte. Keiner hatte ihm etwas gesagt, niemand nahm sich seiner an.
    Eilige Schritte erklangen. Dann bog eine weibliche Gestalt um die Ecke und kam schnell auf ihn zu. Es war die Ärztin, die er bereits im Zimmer des Professors gesehen hatte.
    Sie stutzte einen Moment, als sie Thomas Bruckner erkannte. Es sah aus, als wollte sie rasch an ihm vorbeigehen, doch dann blieb sie plötzlich stehen und wandte ihm ihr Gesicht zu. Es wirkte herb und verschlossen, aber keineswegs unsympathisch.
    Thomas Bruckner war über diese unerwartete Geste so erstaunt, daß er keine Worte fand. Er betrachtete die Gestalt im weißen Kittel, der am Ausschnitt einen grobgestrickten Pullover zeigte. Ihre kurzgeschnittenen dunklen Haare standen borstig ab. Um den Hals trug sie die Schläuche eines Stethoskops, dessen Hörkapsel in der Brusttasche des Kittels steckte.
    »Dann kommen Sie also in die Poliklinik?« begann die Ärztin schließlich das Gespräch. »Ich war auch mal zwei Jahre da. Ist eine Menge zu tun. Hoffentlich kommen Sie mit Schwester Euphrosine einigermaßen zurecht.«
    Alles an dieser Frau wirkte hektisch und nervös. Sie bewegte sich ruckartig. Ihre Stimme klang verhalten, als wage sie nicht, laut zu reden.
    »Ich denke schon«, erwiderte Dr. Bruckner. »Ich bin eigentlich bisher immer mit allen Menschen gut ausgekommen.«
    Poliklinik, dache er enttäuscht. Anscheinend war es bereits beschlossene Sache, ihn auf diesen uninteressanten Posten abzuschieben und somit kaltzustellen. Aber – der jungen Kollegin gegenüber wollte er sich nichts anmerken lassen.
    Als er sie jetzt ansah, errötete sie wieder. Ihr Gesicht wirkte plötzlich weicher, fraulicher. Er wunderte sich über diese Wandlung, aber sie dauerte nicht lange an.
    Die Ärztin griff in ihre Kitteltasche und holte eine Packung Zigaretten heraus.
    »Rauchen Sie?« Sie bot Thomas Bruckner an.
    »Danke«, lehnte er ab. »Ich rauche nur Pfeife.«
    Er zündete ein Streichholz und gab ihr Feuer. Hastig machte sie ein paar tiefe Lungenzüge. Sie blies den Rauch weit von sich.
    »Mein Bruder raucht auch Pfeife. Es sieht gut aus, so …«, sie zögerte etwas und suchte nach dem passenden Wort, »so männlich.« Verlegen senkte sie den Blick. »Ich muß jetzt gehen, ich leite die Frauenstation. Der Professor operiert gerade eine Patientin von mir: Magengeschwür.«
    Thomas Bruckner hörte aufmerksam zu.
    Eigenartige Frau! dachte er. Kühl, abweisend und offensichtlich bewußt ungepflegt – aber dann wieder von einer rührenden Verlegenheit und mädchenhaften Scheu.
    Die Ärztin blies einen Rauchring in die Luft. Sie sah zu, wie er langsam zur Decke stieg, von einem Hauch in die Breite gezogen und dann zerrissen wurde.
    »Tragischer Fall!« nahm sie das Gespräch wieder auf. »Ihr Mann hat sie mit zwei Kindern sitzenlassen. Die Frau wurde ihm zu häßlich. Sie magerte immer mehr ab. Schließlich konnte sie kaum noch etwas essen. Sie ist nie zum Arzt gegangen, weil sie Angst hatte, ins Krankenhaus zu müssen und dann nicht mehr für ihre Kinder sorgen zu können.« Sie schaute in die Richtung des Operationssaales. »Hoffentlich geht alles gut!«
    Dr. Bruckner wunderte sich über die Wärme und innere Anteilnahme, die jetzt aus ihren Worten sprachen. Fast schien es, als würde diese Kollegin ihr wahres Wesen und ihr wirkliches Gesicht hinter einer kalt wirkenden Maske verbergen.
    Er fühlte sich ihr auf merkwürdige Weise zugetan und verbunden. Das beklemmende Gefühl des Ausgestoßenseins, das er eben noch so stark empfunden hatte, ebbte ab …
    »Übrigens, ich heiße Ilse Kurz«, unterbrach die sympathische Stimme seine Gedanken.
    »Oh, pardon, ich … meine Name
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