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Schicksal in seiner Hand

Titel: Schicksal in seiner Hand
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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auch Fleischspeisen zuwider. Sie erbricht in letzter Zeit häufig nach den Mahlzeiten. Seit einigen Tagen klagt sie über zunehmende Schmerzen in der Magengegend. Sie hat all diesen Symptomen bisher keine Bedeutung beigemessen. Erst als sie stark an Gewicht verlor, ging sie schließlich zum Arzt.«
    »Und was hat der festgestellt?«
    »Stenosierendes Magengeschwür.«
    »Wo ist der Röntgenologe?«
    »Hier, Herr Professor!« erklang eine zaghafte Stimme. Der Röntgenologe trug eine dicke Brille mit roten Gläsern, die er jetzt auf die Stirn schob, um das Röntgenbild betrachten zu können.
    »Was sagt unser Dunkelmann zu dieser Diagnose?«
    »Ich kann sie voll und ganz bestätigen, Herr Professor!« Er bedeckte seine Augen wieder mit der dunklen Brille und deutete auf eine weiße Wurst auf dem Röntgenbild. »Hier haben wir den Magen, Herr Professor, und hier …«, er zeigte auf das links im Bild liegende, spitz zulaufende Ende der Wurst, »die Stenose. Es geht kaum noch Nahrung in den Darm hinein. Der Magen selbst ist zu einem richtigen Kuhmagen aufgetrieben, weil sich die Speisen hier stauen.«
    »Und sind Sie sicher, daß es kein Karzinom ist?« Der Professor hatte sich wieder vor das Röntgenbild gestellt. Er betrachtete es genau. »Die Gewichtsabnahme ist doch ungewöhnlich.«
    »Ich bin so sicher, wie man als Röntgenologe eben sicher sein kann.«
    »Ihr tappt ja doch immer im dunkeln!« warf der Oberarzt ein und lachte als einziger über den vermeintlichen Witz.
    »Aber alle Anzeichen deuten darauf hin, daß es eine gutartige Stenose ist. Vor allem das jugendliche Alter der Frau. Die Gewichtsabnahme erklärt sich aus der Tatsache, daß sie ja kaum Nahrung bei sich behält.«
    Bergmann nickte. Seine Hand fuhr hoch, als wolle er den Finger zwischen Hals und Kragen stecken. Im letzten Augenblick besann er sich, daß er ja keimfrei gewaschen war.
    »Ich habe in letzter Zeit auch sehr stark an Gewicht abgenommen.«
    Die Assistenten schauten erschrocken ihren Chef an.
    Es war das erste Mal, daß er während des Klinikdienstes eine private Bemerkung machte.
    »Ich sollte mich auch mal bei Ihnen röntgen lassen.«
    »Ja, bitte, Herr Professor!« Der Röntgenologe klappte förmlich in sich zusammen. Es war, als könne er den Gedanken kaum ertragen, den Magen eines leiblichen Professors röntgen zu dürfen.
    »Ich hoffe, es ist auch nur eine gutartige Stenose. In meinem Alter ist allerdings etwas Bösartiges doch wohl das wahrscheinlichere.«
    Fragend schaute sich der ›alte Löwe‹ um, als erwarte er von seinen Assistenten, daß sie seine Befürchtungen zerstreuten. Oberarzt Wagner kam dieser unausgesprochenen Bitte auch sofort nach:
    »Aber, Herr Professor!« Abwehrend streckte er beide Hände aus. »Wie können Sie nur an so etwas denken! Man sollte so etwas nicht einmal im Scherz sagen, selbst das ist gefährlich. Sie sehen gut aus, Herr Professor, sind frisch wie immer, und wenn Herr Professor in letzter Zeit vielleicht etwas an Gewicht verloren haben, dann ist das nur …« Er stotterte, wurde rot und blickte hilflos seine Kollegen an. Schließlich führte er den Satz zu Ende: »Dann ist das nur Ihre überaus anstrengende Arbeit, Herr Professor. Sie gönnen sich doch wirklich Tag und Nacht keine Ruhe.«
    Und dann fügte er nach einem Blick auf den Röntgenologen noch hinzu: »Aber natürlich würde es sicher nichts schaden, einmal den Magen durchleuchten zu lassen. Es beruhigt zum mindesten, wenn man weiß, daß man nichts hat. Man kann dann viel besser arbeiten. Die Angst vor einer Krankheit, die man vielleicht haben könnte, ist meist noch schlimmer als die Krankheit selber …«
    »Sie können anfangen!« Dr. Rademacher tauchte hinter einer Abdeckung auf und unterbrach unwirsch die Beruhigungsrede des Oberarztes.
    Professor Bergmann nahm den jodgetränkten Gazebausch, den ihm die alte Operationsschwester an einer langen, silbern glänzenden Klemme entgegenhielt. Man merkte ihm an, daß seine Gedanken weit fort waren, als er den Leib anpinselte, bis er goldgelb glänzte. Schließlich nahm ihm die Schwester den Bausch kurzerhand wieder weg.
    »Abdecktücher!«
    Die Schwester reichte ihm die grüngefärbten Leinentücher. Er legte sie so auf die Mitte des Leibes, daß sie einen grünen Rahmen bildeten.
    In diesem Augenblick klappte die Tür. Jemand betrat den OP.
    Der Geheimrat schaute unwillig hoch. »Ach, unser Protektionskind! Ich begrüße Sie am heiligsten Ort der Klinik.« Ärger schwang in seiner
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