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Schicksal in seiner Hand

Titel: Schicksal in seiner Hand
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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gemacht.
    Draußen war es jetzt einen Augenblick still. Dann weinte ein Kind, ein zweites stimmte ein.
    »Gisela! Dieter!« wollte die Kranke rufen, aber ihre kraftlosen Lippen formten nur Buchstaben, sprachen sie aber nicht aus.
    »Mutti!«
    Das war zuviel! Sie mußte sich doch irgendwie bemerkbar machen können! Verzweiflung ergriff sie. Mit letzter Kraft richtete sie sich auf und versuchte zu rufen.
    Aber niemand hörte sie.
    »Albert!« Wimmernd sank Ursula Kleiber zurück. Ihr geschwächter Körper versagte den Dienst. Sie glaubte, plötzlich ein fernes Grollen zu vernehmen, das anschwoll und zu einem ohrenbetäubenden Dröhnen wurde. Feurige Kreise tanzten vor ihren Augen. Sie schloß die Augen.
    »Wen bringen Sie denn da?« fragte Assistenzarzt Dr. Rademacher.
    »Das ist die Galle. Die kommt nach dem Magen dran«, erklärte der Pfleger. »Steine!« fügte er noch lakonisch hinzu.
    »Sie brauchen sich nicht so zu beeilen.« Der junge Arzt legte dem Pfleger die Hand auf den Arm. »Der Chef hat noch nicht mal mit dem ersten Fall angefangen. Ich gehe eben zur Narkose hin. Da drin …«, er zeigte mit dem Kopf zur Tür hin, aus der er eben herausgekommen war, »ist dicke Luft. Ich bin heilfroh, daß ich raus konnte. Der Alte hat wieder mal eine Laune!«
    »Man kann ihn auf der Chefetage bis zum Ende des Flures brüllen hören.« Der Pfleger setzte seine fahrbare Trage langsam wieder in Bewegung. »Ich verstehe nicht, wie er sich vor Beginn einer so schweren Magenoperation derart aufregen kann. Mir würden die Hände zittern, und ich könnte keinen einzigen geraden Schnitt legen. Dabei ist er doch nun wirklich nicht mehr der Jüngste. Und besonders gut geht es ihm in letzter Zeit auch nicht. Ich weiß gar nicht, was er hat.«
    Er schob die Trage den langen Gang hinunter und verschwand hinter der Milchglastür.
    Dr. Rademacher ging zu einem dunkelhaarigen jungen Mann, der im Flur unschlüssig herumstand. »Suchen Sie etwas? Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Ich wollte –«, der Angesprochene zögerte, »zu Herrn Professor Bergmann.«
    »Ach so!« Der junge Arzt nickte verständnisvoll. »Sie sind der Ehemann des Magens … Verzeihen Sie«, verbesserte er sich sogleich, »ich meine, der Gatte der Patientin, die gleich am Magen operiert wird. Unser Klinikjargon ist ein bißchen hart … Es steht nicht besonders gut um ihre Frau. Zwar leidet sie nur an einem Magengeschwür, aber ihr ganzer Zustand ist so schlecht, daß wir Befürchtungen haben. Der Kreislauf macht nicht mehr so richtig mit.«
    »Aber …«
    »Machen Sie sich keine Sorgen!« Dr. Rademacher ließ den Fremden gar nicht zu Wort kommen. Er faßte verständnisvoll nach seinem Arm. »Unser Professor wird sein möglichstes tun. Es ist aber gut, daß Sie gekommen sind.« Ein abschätzender Blick traf den Besucher. »Ihre Frau hat mir nämlich alles über Ihre Ehe erzählt. Daß Sie trotzdem gekommen sind, ehrt Sie! Es wird Ihrer Gattin sicherlich die Operation erleichtern.«
    »Aber …«, begann der Fremde wieder.
    Er wurde durch eine Stimme unterbrochen, die aus dem Operationssaal klang:
    »Dr. Rademacher! Wo bleiben Sie denn? Wir müssen mit der Narkose beginnen. Der Chef kann jeden Augenblick anfangen wollen, wenn dann die Patientin noch nicht schläft …«
    »Ich komme ja schon!«
    Dr. Rademacher winkte dem Fremden noch einmal zu und eilte dann den Gang entlang.
    »Ich bin gar nicht der Ehemann des Magens«, klang es hinter ihm her. »Mein Name ist Thomas Bruckner.«
    Aber der junge Arzt hörte es nicht mehr. Er war bereits hinter der Milchglastür des OP verschwunden.
    »Das ist die größte Unverschämtheit, die ich je erlebt habe!«
    Professor Robert Bergmann schwang wütend seinen Krückstock. Sein Gesicht war rot angelaufen. Die Zornesader auf seiner Stirn trat dick hervor.
    »Ich habe immer geglaubt, er würde sich noch besinnen und die Stellung hier nicht antreten. Ich habe es seinem Onkel deutlich genug zu verstehen gegeben. Aber nein! Das interessiert diesen Burschen gar nicht. Er kommt trotzdem, meine Herren, und zwar heute schon!«
    Erschöpft holte der Professor Atem. Dann griff er nach dem Wasserglas und trank einen Schluck. Vor ihm auf dem Tisch lag ein Brief. Er sah mitgenommen aus. Professor Bergmann hatte ihn zerknüllt und dann wieder geglättet.
    »Weil sein Onkel Generaldirektor ist und eine wichtige Stimme im Kuratorium hat, muß ich diesem Protektionskind eine Assistentenstelle geben. Ich, Professor Bergmann, muß mich
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