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Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Titel: Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
Autoren: Kerstin Ruhkieck
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Geruch auf. Neue Möglichkeiten taten sich auf. Vanessa wurde bewusst, dass sich nie ihre Lippen berührt hatten. Ihre Körper schon, mal verstohlen und mal ganz ohne Unschuld, doch niemals ihre Lippen. Sollte dieser letzte Moment das doch noch ändern? Durfte sie das überhaupt hoffen?
    »Okay«, sagte Thox matt. Der Augenblick war verstr ichen, es sollte nicht sein.
    Vanessa nickte, dann stieg sie in den Bus.
     
     
     

Epilog
     
    Heute
    Sonntag, 17. August
     
    D raußen war es schon lange finster. Seit Anbruch der Dunkelheit beobachtete sie sein Haus. Vor einiger Zeit hatte er das Licht hinter den Fenstern angemacht, und irgendwie fühlte sie sich ausgeschlossen. Wie ein geheimes Zeichen flackerte das Licht vor ihren Augen, es lockte, lud sie ein, doch dann bemerkte sie, dass es nicht das Licht war, das flackerte. Ein Ast bewegte sich, von dem Wind getragen, vor dem Fenster hin und her, und so wirkte es nur, als würde das Licht flackern. Nur eine optische Täuschung. Kein geheimes Zeichen, keine Einladung, nur eine Naturgewalt.
    Auch sie fühlte sich wie ein Ast. Auch sie wurde nur getr agen von Naturgewalten. Und wenn sie glaubte, sie könne etwas verändern, dann täuschte sie sich. Es sah nur anders aus, doch es blieb alles gleich. Eine Täuschung. Sie selbst verursachte diese Täuschung, aber fiel sie auch darauf herein? Das Flackern zog sie wie magisch an, das Licht lockte sie an, als wäre sie eine Motte. So gerne wäre sie im Licht, nicht ausgeschlossen, sondern zugehörig. Aber wie könnte sie? Sie hatte es versprochen.
    Und doch spürte sie, wie ihr Körper zu der Haustür gez ogen wurde. Ihr Verstand hatte damit nichts zu tun. Sie spürte das Gewicht ihrer kleinen Umhängetasche, es grub sich in ihre Schulter, obwohl sie nicht viel wog. Es war die Last der Verantwortung, die ihre Tasche so schwer machte.
    Sie hätte es nicht mitbringen sollen.
    Andererseits war dies der Grund, weshalb sie hier war.
    War das wirklich der einzige Grund? Sie war wahnsinnig! Wie konnte sie es ernsthaft in Betracht ziehen, ihm das anz utun?
    Und plötzlich stand sie vor seiner Tür, ihre Hand schwe bte vor der unter Grünzeug versteckten Klingel. Zumindest zögerte sie einen Augenblick, anscheinend war sie noch nicht vollständig verkommen. Doch dann drückte sie den Knopf. Selbst das tiefe und doch schrille Geräusch der Klingel konnte sie nicht aus ihrer emotionalen Paralyse befreien. Nach einer gefühlten Ewigkeit – oder war es sofort? Sie konnte sich nicht erinnern – ging die Tür auf. Thox stand vor ihr und sah sie an. Überrascht? Nein. Erleichtert? Auch nicht. Wie sah er sie nur an? Konnte er sie tatsächlich sehen oder blickte er durch sie hindurch? Konnte er ihre drängende Verzweiflung, diese quälende Notwendigkeit in ihr sehen?
    Und dann, wortlos, trat Thox einen Schritt zur Seite und ließ sie herein. Vanessa senkte den Blick und nahm seine Einl adung an.
    Seine umgebaute Lagerhalle hatte sich verändert. Sie hatte geglaubt, es würde seltsam sein, hierher zurückzukehren, doch das war es nicht. Vielmehr kam sie nach Hause. Doch es war ein Zuhause, das offensichtlich nicht von allen gewollt war. Nicht von Thox.
    Überall standen Kartons herum, die meisten noch leer oder halbvoll, doch in einer Ecke stapelte sich bereits ein kleiner Turm an Kisten, die förmlich danach schrien, woanders hingetragen zu werden. War sie egoistisch? Sie wollte darüber nichts hören, also fragte sie ihn nicht. Nachdem Thox die Tür geschlossen hatte und sie alleine waren, ungestört von der Welt, die sich außerhalb dieser Wohnung befand, drehte sie sich zu ihm um und sah zu ihm auf. Sie musste sich dazu zwingen, denn es fiel ihr nicht leicht. Er machte sie unsicher, der Grund für ihr Erscheinen verlegen, aber es musste sein.
    »Du hast meine Hand genommen«, flüsterte sie, als fürc hte sie einen geheimen Zuhörer.
    Thox sah zu ihr herunter. Warum war er nicht überrascht? »Ich weiß.«
    »Ich kann das nicht vergessen und ich kann dich auch nicht in Ruhe lassen.«
    Thox ging zu seiner Sitzbank vor der großen Wohnküche und setzte sich. Er wirkte nicht genervt, nicht neugierig, gar nichts. Er war einfach nur da. Und Vane ssa hatte das Gefühl, sie selbst würde immer mehr verschwinden.
    »Was willst du von mir, Vanessa?«, fragte er schließlich.
    Vanessa rührte sich nicht von der Stelle. Sie konnte sich nicht bewegen, ihr Körper war wie erstarrt. Sie konnte nicht aufhören, Thox anzusehen. Sie hatte versucht, ihn in
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