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Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)

Titel: Scherben: Du tötest mich nicht (German Edition)
Autoren: Kerstin Ruhkieck
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War es ihm etwa nicht egal, ob sie lebte oder nicht?
    »Hättest du?«, fragte Thox nach einer Weile. »Ich meine, bei seinen Vergewaltigungs-Fantasien mitgespielt, um mit ihm zusammen zu sein?«
    Sie horchte in sich hinein, ließ den Blickkontakt jedoch nicht abreißen. »Ich weiß es nicht. Vermutlich nicht. Nicht, wenn ich gewusst hätte, dass es damals wirklich so passiert ist. Ich bin mir zu schade, als Objekt einer ständigen Wiede rholung dieser widerlichen Tat herzuhalten. Da hatte Maria mir etwas in ihrer Zuneigung für Jonas voraus«, sagte sie.
    »Es muss damals sein erster Sex gewesen sein. Die Sache mit Stine. Das hat ihn sicher geprägt.«
    Vanessa zögerte, dann entschied sie sich für ihre Worte – auch, oder gerade weil sie provokant waren. »Du klingst, als hättest du Verständnis für ihn.«
    Thox sah weg. Ihre Verbindung riss ab. »Du irrst dich!«, wisperte er entschi eden.
    Auch Vanessa sah weg. Gespräche über Jonas und die Dinge, die er getan hatte, behagten ihr nicht. Es gab so vieles, was sie gerne vergessen würde. »Wenn ich mir vorstelle, dass ich mit ihm geschlafen habe, wird mir ganz schlecht«, flüsterte sie beschämt, und der Ekel krabbelte ihr wieder den Nacken hoch. »Sogar jemand wie ich hat seine Grenzen.«
    »Jemand wie du …«, wiederholte Thox gedankenverloren.
    Vanessa zuckte mit den Achseln. »Du weißt, was ich me ine.«
    Eine ältere Dame stellte sich zu ihnen an die Bushalteste lle, und so schwiegen Vanessa und Thox eine Weile. Vanessa ahnte, dass es Thox ähnlich ging wie ihr selbst, die sie über all das nachdachte, was in den vergangenen Wochen geschehen war. Nichts würde mehr so sein wie früher … Welche Bedeutung hatte früher? Es war nur ein Wort, mehr nicht. Nicht mehr.
    Als der Bus kam, stieg die ältere Dame ein und ließ die zwei schweigenden Se elen wieder alleine zurück.
    Vanessa spürte, dass Thox etwas sagen wollte, und blickte ihn fragend an.
    »Hast du … ich meine die paar Tage in seiner Wohnung, habt ihr … musstest du …«, quälte er sich zu sagen.
    Vanessa schmunzelte etwas – wenn auch nicht über die Frage selbst, sondern viel mehr über seine Probleme, es direkt au szusprechen. Die Dinge beim Namen zu nennen. Das war nicht der Thox, den sie kannte, aber kannte sie Thox tatsächlich?
    »Du meinst, ob er mich gefickt hat?«, brachte sie es für ihn auf den Punkt und fügte dann hinzu: »Jonas hätte mich nicht einmal mit Handschuhen angerührt. Ich hatte Glück. Wieso willst du das wissen?«
    »Ich weiß es nicht. Schuldgefühle? Er hätte dich umbringen können. Das war sicher sein Plan.«
    »Du wolltest mich auch umbringen. Aber ich lebe noch.«
    Thox nickte. Ein Krankenwagen mit lauter Sirene fuhr an ihnen vorüber und brachte ihre Unterhaltung kurzfristig zum Stillstand. Als der tosende Lärm in der Entfernung verschwand, sah Thox sie plötzlich seltsam an. Wann war das geschehen? Vermochte Lärm sie etwa von so wichtigen Dingen abzulenken oder war sie so sehr in ihren Gedanken verloren?
    »Wird dir auch schlecht, wenn du … an den letzten Tag de iner Entführung denkst?«
    Seine Frage schockte Vanessa. »Du redest darüber, als wäre es … Vielleicht sollte es … aber …«, versuchte sie, i hrem emotionalen Chaos Ausdruck zu verleihen, und scheiterte kläglich. Also entschied sie sich für die vereinfachte Variante. »Nein«, sagte sie ernst, und obwohl es die Wahrheit war, bedurften dieser Wahrheit eigentlich mehr Worte. Deutlichere Worte. Aber wozu noch?
    »Aber du bereust es«, hakte er nach.
    Vanessa spürte, wie sie rot wurde. Ihr Kopf brannte, ihre Schläfe pochte, und etwas drückte schmerzhaft gegen ihre gebrochenen Rippen. Sie dachte an den Nachmittag zurück, als sie und Thox den Film von Jonas und Maria gesehen hatten. Danach war alles außer Kontrolle geraten. Vernunft hatte keine Rolle mehr gespielt, der Verstand war ausgeschaltet gewesen. Sie bereute nichts! Niemals in ihrem Leben hatte sie sich so frei und erfüllt gefühlt. Alles hatte plötzlich einen Sinn ergeben. Die Jahre des ruhelosen Suchens nach Erfüllung schienen zu Ende zu sein – so lange, bis die Ernüchterung kam. Sie war dumm gewesen, sie hatte nicht nachgedacht, sich von ihrem Körper treiben lassen. Hatte so etwas im echten Leben nicht sonst immer schlimme Konsequenzen?
    »Nein, ich … ich war nur noch nie so unvorsichtig. Das ist alles«, fasste sie i hre Gedanken zusammen und hoffte, das Thema damit ein für allemal zu beenden. Es behagte ihr
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