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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen
Autoren: S Rauchhaus
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nicht völlig verfällt.«
    Nun, damit übertrieb sie aber dicke. Offensichtlich hatte auch sie sich mit den Tatsachen abgefunden. Brauchte auch sie Geld? Sie sah gar nicht so aus.
    Fasziniert besah ich die Hände der Figuren genauer. Interessante Motive für einen Schüler Tiepolos! Unter einem Ärmel gut versteckt erkannte ich eine kaum sichtbare Armbanduhr. Ob der letzte Restaurator sie hinzugefügt hatte? In dem Fall musste er ein Komiker gewesen sein.
    »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es Ende des fünfzehnten Jahrhunderts gemalt wurde«, erwiderte ich stattdessen. »Und ich denke, der Zustand des Gemäldes ist dank der Klimaanlage recht gut. Wie lange wir etwa brauchen werden, kann ich allerdings erst nach einer genauen Befunderhebung sagen.«
    »Heißt das, Sie nehmen den Auftrag an?«, fragte Nachtmann Anna und mich.
    Wir nickten beide. In ihren Augen glaubte ich die gleiche Frage lesen zu können, die auch mich beschäftigte.
    »Heißt das, dass wir das Honorar teilen müssen?«, sprach ich sie ganz dreist aus.
    Cyriel lachte mit einem bitteren Unterton auf. »Hauptsache, das Geld stimmt, nicht wahr?«
    Ruben Nachtmann lächelte, als hätte er es nichtgehört. »Nein, das ausgemachte Honorar bekommt jede von Ihnen, wenn sie den Auftrag zu Ende führt.«
    Anna und ich ließen uns die Erleichterung nicht ansehen. Stattdessen taxierten wir uns – mit dem wachen Blick zweier Raubkatzen, kurz bevor sie übereinander herfallen.

Kira
    Die Leiter hochzusteigen war, als hätten wir eine Zeitmaschine betreten, die uns in kleinen Schritten aus dem Mittelalter zurückbrachte – allerdings nur bis ins achtzehnte oder neunzehnte Jahrhundert. Irgendwo dort hakte der Mechanismus wohl, das bewies mir vor allem die Küche, die uns Herr Nachtmann nun unbedingt zeigen wollte. Sie lag im Keller – im oberen – und schon von Weitem duftete es ganz hervorragend. Mein Magen knurrte begeistert und ich stellte fest, dass ich nach den neuen Eindrücken der letzten Stunde einen Bärenhunger hatte.
    Die Küche sah aus wie neu – neu vor zweihundert Jahren! Und darin werkelte Antonia, ganz passend mit einer weißen Spitzenschürze. Ein gusseiserner Herd mit einem riesigen Abzug bildete den Mittelpunkt. Kessel, Siebe und Schöpflöffel aus glänzendem Messing und Kupfer hingen an der Wand daneben, und in einem derben Vitrinenschrank aus Eichenholz entdeckte ich eine hübsche Kaffeemühle, Geschirr aus Zinn und verschnörkeltes Keramikgeschirr mit blauen Verzierungen. Auf der anderen Seite des Raums stand ein großer Kühlschrank, eindeutig aus unserem Jahrhundert, der im Vergleich zu der antiken Küche irgendwie billig wirkte. Andererseits war ich über seine Existenz sehr erleichtert, wenn ich daran dachte, dass wir in diesem Haus einige Wochen lang auch essen würden.
    »Die Küche hatte man damals gern unten, damit die Dienstboten für die Herrschaften unsichtbar blieben und die Gerüche der Küche oben nicht störten«, erklärte unser Gastgeber.
    »Wann wurde dieses Haus denn gebaut?«, fragte Anna betont interessiert und ich hatte das dumpfe Gefühl, dass es ihr ohne diesen profitablen Auftrag völlig egal gewesen wäre. »Neunzehntes Jahrhundert?«
    »Achtzehntes«, erwiderte ich spontan. »Ende achtzehntes.«
    Anna warf mir einen genervten Blick zu. »Bist du jetzt nicht nur ein Kunstgenie, sondern auch eine verhinderte Architektin?«
    Aha, der Stachel der Konkurrenz saß bei ihr also genauso tief unter der Haut.
    »Wenn es dich beruhigt: Von Architektur verstehe ich gar nichts«, sagte ich. »Aber über der Haustür steht das Baujahr: 1786.«
    Zuerst dachte ich, sie wäre eingeschnappt. Aber als wir weitergingen, bemerkte ich, dass sie schmunzelte.
    »Du kochst also auch nur mit Wasser.«
    »Wenn es sich nicht vermeiden lässt«, gab ich zurück.

    Im Erdgeschoss deutete Herr Nachtmann kurz auf die Tür zum Esszimmer und erläuterte, dass wir uns um halb acht mit ihm dort treffen sollten. Dann ging er mit uns in den ersten Stock. Die knarrende alte Holztreppe, die an einem Fenster vorbeiführte, endete auf einer Galerie, von der aus wir in die Halle sehen konnten. Auf der anderen Seite befand sich eine antike Truhe, zwei Bilder und drei Türen.
    »Hier wohnen wir. Das sind die Zimmer der Familie.«
    Drei Türen. Sieben Personen.
    »Teilen Sie sich die Zimmer?«, fragte ich erstaunt.
    Nachtmann schüttelte den Kopf. »Wir haben die Räume dahinter unterteilt, sie waren groß genug.«
    Da konnte ich ja nur hoffen, dass das
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