Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen
Autoren: S Rauchhaus
Vom Netzwerk:
Gang wurde breiter und der Fels ging in eine aus groben Steinen gemauerte Wand über. Kurz darauf erreichten wir drei hölzerne Türen, zwei links, eine rechts. Ruben blieb vor der ersten Tür auf der linken Seite stehen und klopfte kurz an, bevor er sie öffnete. Ich drängte mich in seine Nähe, um hineinzuspähen. Auch hier waren die Fackeln die einzige Lichtquelle – drei davon steckten in Halterungen an den Wänden zwischen Regalen voller Bücher, bunter Flaschen und bizarrer Einmachgläser. In einem glaubte ich eine Schlange zu erkennen, in einem anderen einen Tintenfisch. Und inmitten all dieser Kuriositäten auf einem Schreibtisch aus so dunklem und unebenem Holz, dass er schon von Weitem als Antiquität erkennbar war, standen einträchtig nebeneinander ein Tintenfass mit einer Feder und ein Laptop!
    Am Tisch saß ein schmaler, hochgewachsener Mann mit fast schwarzem Haar, dem beim Arbeiten eine Locke in die Stirn fiel, als säße er schon seit Wochen hier undhätte das Haareschneiden schlicht vergessen. Die düstere Umgebung, seine helle Haut und die schmalen Finger, die in einem beinahe hypnotischen Rhythmus über die Tastatur flogen, ließen auf einen Workaholic schließen. Doch ich bemerkte auch die ungewöhnliche Spannung in seiner Haltung, als wäre der Stuhl ein sehr lästiges Möbelstück für ihn. Und als er aufsah, funkelten seine Augen im Widerschein des Monitors wie die eines aufgescheuchten Wolfs. Allerdings hatten Wölfe meines Wissens keine so tiefgrünen Augen wie er.
    »Cyriel de Vries, mein Assistent«, stellte Ruben vor.
    Überrascht musterte ich ihn. Assistent? Wohl eher ein Student, denn der Typ sah nicht viel älter aus als ich, vielleicht Anfang zwanzig.
    »Komm! Es ist Zeit, unser Meisterwerk zu zeigen.«
    Schweigend und in aller Seelenruhe beugte der Angesprochene sich erneut über seine Tastatur und tippte weiter, als wären wir nicht vorhanden.
    Anna drängte sich an mir vorbei und lehnte sich gegen den Türrahmen.
    »Ein Büro im Tiefkeller – ist das nicht unheimlich? Und ungemütlich?«, fragte sie mit einem herausfordernden Lächeln.
    »Nein«, sagte Cyriel und klappte seinen Laptop endlich zu. Mit raubtierhafter Lautlosigkeit stand er auf und ging an uns vorbei. Wortlos. Was für ein unfreundlicher Mensch!
    Ruben zuckte mit den Schultern und erwiderte Annas Lächeln an Cyriels Stelle. »Auch ich arbeite im Tiefkeller.« Er deutete auf die nächste Tür. »Das ist mein Labor. Hier verbringen Cyriel und ich viel Zeit und hier habenwir weit mehr Platz, als das ganze Haus uns oben bieten würde.«
    Vor der letzten Tür hielt Herr Nachtmann Cyriel an der Schulter fest und zwang ihn so, vor uns stehen zu bleiben.
    »Dies sind Kira Tressler und Anna Lorenz.«
    Cyriel steckte einen großen, leicht verrosteten Schlüssel ins Schloss. Dann zögerte er, als hätte er Ruben erst jetzt verstanden. Trotz des flackernden Lichts konnte ich jetzt sehen, dass über seiner rechten Augenbraue eine tiefe Narbe verlief. Er sah Anna an, als wäre sie ein Kunstwerk, das er erst verstehen müsste. Seine Mundwinkel zuckten und vielleicht sollte das ein Lächeln sein. Als sein Blick zu mir wanderte, machte mich das nervös. War mein Kajal verwischt? Hatte er den kleinen angeborenen Fleck in meinem rechten Auge entdeckt? Bei mir kam jedenfalls kein Lächeln und aus irgendeinem Grund fand ich das unfair.
    Das Knarren der Tür schien aus den Eingeweiden der Erde zu kommen, und ich war erstaunt, als ich die Wand betrachtete. Sie war etwa einen Meter dick! Eine Außenwand?
    Anna zögerte vor der Schwelle und sah mich fragend an. Als ich ihr folgte, konnte ich ihr Zögern verstehen. Raum? Das war ein Schacht. Ein hoher, runder Schacht mit einem Durchmesser von etwa vier Metern. Damit hatte ich nicht gerechnet. Und als ich den Kopf in den Nacken legte, war das ein Gefühl, als würde mein Blick wie Kaugummi auseinandergezogen, die Perspektive stimmte einfach nicht mehr und meine Knie wurden weich. Was war das für ein Ort? Die runde Wand wuchs etwa zehnMeter in die Höhe und ich fühlte mich wie eine Maus in einem Rohr. Der gemauerte Schacht wurde nach oben immer schmaler und ganz oben, vor einem Klecks Licht, lag ein rostiges Eisengitter. Ich musste wieder nach unten sehen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Als ich mich mit der Hand abstützen wollte, rief Ruben Nachtmanns donnernde Stimme: »Halt! Nicht! «
    Mit einem entschuldigenden Lächeln wies er in Richtung Wand. Und ich konnte kaum glauben,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher