Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen
Autoren: S Rauchhaus
Vom Netzwerk:
gestanden. Wie aus dem Boden gewachsen. Seltsam, sonst hörte sie Schrittebereits von Weitem, auch wenn sie leise waren. In der Stille des Parks hätte sie sie hören müssen! Der Mann hatte sich bei ihr entschuldigt, sich nach dem Ball gebückt und dabei etwas über den Asphalt gezogen. Etwas unangenehm Kratzendes! Gleichzeitig hatte sie etwas Kühles auf der Haut gespürt. Wie Wind, der in die Richtung des Mannes wehte. Nur lebendiger. Noch bevor Jessy ihn fragen konnte, was das gewesen sei, war er schon wieder verschwunden. Lautlos.
    Seit er weg war, hatte sie dieses kribbelnde Ziehen. Eine Unruhe, die sie lockte. Querfeldein. Jessy konnte es sich nicht recht erklären und es ergab auch keinen Sinn. Warum sollte ausgerechnet sie den Weg verlassen? Dennoch hatte sie sich nicht orientierungslos gefühlt. Es war … wie die Sehnsucht nach einem Glas Wasser, wenn man sehr, sehr durstig ist. Sie – sie! – war durch Gestrüpp geklettert. Vorsichtig. Tastend. Bis ihre Finger auf einmal gegen eine steinerne Kante stießen, genau in Kopfhöhe. Spätestens hier hätte sie umkehren müssen. Aber sie hatte sich gebückt und war weitergegangen. In einen Gang aus Stein. Eine Höhle mitten im Park? Träumte sie?
    Ihre Gedanken wurden langsam wieder klarer. Sie würde umkehren! Was hatte sie so verwirrt? Sie blieb stehen. Lauschte in die Stille und auf ihren eigenen Atem. Und plötzlich wusste sie, dass sie nicht allein war.
    Jessy unterdrückte einen Aufschrei und flüsterte: »Wer sind Sie?«
    Niemand antwortete. Aber der Jemand war hinter ihr und er kam näher. Sie spürte ihn, obwohl er sich vollkommen lautlos bewegte. Ohne Schritte. Ohne Atem.
    Jessy stolperte weiter. Nun nicht mehr gezogen, sondernvorwärtsgepeitscht von ihrer eigenen Panik. Bis ihr Stock gegen etwas Hartes schlug. Eine Sackgasse? Das durfte nicht sein! Hektisch betastete sie das Hindernis vor ihr. Und keuchte erleichtert auf. Es war eine Tür! Und sie ließ sich öffnen! Jessy riss sie auf und schlug sie sofort wieder hinter sich zu. Lauschte.
    Dem Luftzug nach zu urteilen stand sie in einem großen Raum. Auch hier war sie nicht allein, vor ihr murmelten Menschen, ihre Schuhe knirschten auf steinernem Boden. Im Gegensatz zu dem Jemand, der hinter ihr her gewesen war, schienen sie sich nicht verstecken zu wollen. Ein paar von ihnen näherten sich. Im gleichen Moment hörte Jessy ein metallisches Geräusch hinter sich. Einen Schlüssel in einem sehr alten Schloss.

Kira
    Das Haus hockte auf dem Hügel wie ein Raubtier über seiner Beute: abweisend und kalt, mit blitzenden Fenster-Augen, die mich warnten, bloß nicht näher zu kommen.
    Vielleicht hätte mich dieser Anblick abschrecken können, wenn ich zu Fuß unterwegs gewesen wäre, aber da ich im Taxi saß und der Fahrer diese Fuhre nur hinter sich bringen wollte, näherte ich mich unaufhaltsam.
    Als wir anhielten, meinte ich eine Bewegung hinter einem der Fenster im ersten Stock gesehen zu haben, doch niemand öffnete. Entweder ich hatte mich getäuscht oder man wartete darauf, dass ich klingelte. Ich sah mich um und begegnete dem bösen Blick des Taxifahrers. Wahrscheinlich verfluchte er gerade das Mädchen mit dem Gepäck voller Pflastersteine. Er tat mir ja leid, aber immerhin hatte ich es schon geschafft, das ganze Zeug mit dem Zug hierherzubringen.
    »Bitte vorsichtig!«, sagte ich betont höflich, als er den ersten Koffer grob aus dem Kofferraum schwang. »Das ist alles Material für meine Arbeit.«
    Arbeit! Wie sich mein Leben doch verändert hatte! Bisher hatte der Sommer für mich immer nach Sonne, Salz und toskanischer Macchia geduftet. Und nach alter Farbe, alten Museen und jungem Wein. Wenn ich die Augen schloss, konnte ich das Ferienhaus in den Hügeln inder Nähe von Massa Marittima sehen und einen Garten, der in allen Farben des Sommers zu explodieren schien. Mich selbst sah ich im Schatten einer großen Pinie sitzen, neben mir auf der Bank einen Bücherstapel und eine Schüssel mit selbst gepflückten Orangen. Irgendwo weiter hinten im Garten stand mein Vater vor seiner Staffelei und blinzelte in die Sonne. So sollten Sommerferien sein!
    Doch früher oder später musste ich die Augen wieder öffnen und mich diesem Sommer stellen. Wie sollte ich diese Aufgabe nur allein bewältigen? Hatte ich mich übernommen? Hatte mein Auftraggeber mich überschätzt?
    Das Haus war alt, vielleicht zweihundert Jahre oder älter. Eine dreistöckige Villa, die auf den ersten Blick ehrwürdig wirkte. Und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher