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Schattenwesen

Schattenwesen

Titel: Schattenwesen
Autoren: S Rauchhaus
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– sicherlich eine furchtbare Angewohnheit.«
    Anna schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Dann istes besonders nett, dass Sie für uns so hübsch eingedeckt haben. Aber wir können ab morgen auch gern in der Küche …«
    »Nein, nein!«, wehrte Nachtmann ab. »Antonia wird Ihnen das Essen hier auftragen. Sagen Sie ihr Bescheid, wann Sie essen möchten.«
    Anna nickte an mir vorbei Ruben zu. »Vielen Dank, auch an Ihre Schwägerin, dass sie sich solche Mühe macht!«
    In diesem Moment rauschte Antonia herein, in den Händen eine pompöse Terrine. Sie stellte sie vor uns auf den Tisch, nickte uns zu und wartete. Neugierig griff ich nach dem Deckel – und ließ ihn so polternd auf den Tisch fallen, dass ich Angst hatte, das Porzellan würde zerspringen. Das Ding war superheiß!
    Ich fluchte, bemühte mich aber um ein Lächeln in Antonias Richtung. »Sie müssen aber sehr … geübte Hände haben! Wie haben Sie die Terrine so tragen können?«
    Sie erwiderte mein Lächeln erstaunt und etwas unsicher. Herr Nachtmann nahm ihre Hände prompt in seine und drückte sie an sich.
    »Aber Antonia! Du solltest wirklich Topflappen benutzen«, sagte er sanft.
    Das Gulasch sah fantastisch aus. Leider war es zäh und ich war mir schnell sicher, dass unsere Köchin Gewürze für Teufelszeug hielt. Vielleicht aß deshalb niemand, was sie kochte? Auch die Tatsache, dass die drei Männer uns beim Löffeln zusahen, während sie selbst vor einem Wasserglas saßen, ließ mich betont langsam essen.
    Ruben war erstaunlich still, als warte er darauf, dass jemand anderes sprach. Sollten wir etwas sagen?
    »Ruben erzählte, Sie hätten beide schon Erfahrung …«, begann Cyriel schließlich und ich wartete darauf, dass er etwas fragte. Aber vermutlich war das die Frage. Bevor ich den Mund aufmachen konnte, tat Anna es.
    »Erfahrung?«, hauchte sie und fuhr sich dabei mit einer Geste durchs Haar, die vermutlich bescheiden aussehen sollte. Aber sie hatte so viel Weibliches, dass ich ihr Berechnung unterstellte.
    »In der zehnten Klasse bekam ich einen neuen Kunstlehrer und der war von Anfang an begeistert von meinen Arbeiten. Er hat meinen Eltern gesagt, dass sie mich unbedingt fördern müssten. Na, die sind aus allen Wolken gefallen, kann ich euch sagen!« Sie kicherte. »Seit Generationen gab es in unserer Familie nur Rechtsanwälte, Staatsanwälte und Richter. Und jetzt …«
    »Dann waren sie bestimmt dagegen?«, fragte Cyriel mit Bedauern in der Stimme.
    »Aber nein!«, rief Anna mit hochgezogenen Augenbrauen. »Sie waren begeistert! Endlich mal etwas anderes, sagten sie, eine kreative Tochter. Sie haben einen Künstler engagiert, Angelo Fabiani, um mir speziellen Zeichenunterricht zu erteilen, und in dieser Zeit habe ich unglaublich viel gelernt. Dinge, die man im normalen Schulunterricht eben nicht lernen kann.« Sie strahlte. »Es war schon immer mein Traum, zu malen, und im Herbst fange ich mit dem Kunststudium an.«
    Mein Löffel landete klappernd auf dem Tellerrand, aber mir hatte es endgültig den Appetit verdorben. Und ich dachte, ich wäre die Streberin von uns beiden! Gut, vor allem platzte ich vor Neid auf so begeisterte Eltern. Für meinen Vater war es immer ganz selbstverständlichgewesen, dass ich bei ihm lernte. Wie hätte er mich da je loben sollen?
    »Und, Kira?«, riss Gabriel mich aus meinen Gedanken. »War es bei Ihnen ähnlich?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich habe meinem Vater geholfen, seit ich denken kann. Er war Restaurator.«
    »Das klingt, als wäre es eine Pflicht gewesen«, stellte Cyriel fest. »Hätten Sie lieber etwas anderes gemacht?«
    »Manchmal vielleicht«, seufzte ich. »Manchmal war das Leben mit meinem Vater nicht einfach. Wenn er in einem Projekt steckte, dann interessierte ihn nichts anderes mehr. Aber ich habe ihm gern geholfen. Er konnte mir jeden Tag etwas Neues beibringen.«
    Es fiel mir schwer, vor Fremden über Paps zu reden, über Details unserer Arbeit. Er hatte mir gezeigt, wie man Schritt für Schritt die feinsten Staubpartikel von einem Gemälde entfernte – die Kunst der Geduld. Er hatte mir gezeigt, wie man ein Gemälde betrachtete und dabei nicht nur das Bild, sondern seine Struktur und sein Herzblut erfasste – die Kunst der Aufmerksamkeit. Und er hatte mir erklärt, dass man ein Gemälde niemals verändern durfte. Dass jeder Eingriff rückgängig machbar sein muss, um die Aussage des Malers zu erhalten – die Kunst des Respekts. Aber all das brachte ich jetzt nicht
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