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Schattenwelten

Schattenwelten

Titel: Schattenwelten
Autoren: Fran Henz
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erblickte. Das Wort Neuigkeiten verursachte ihm Unbehagen, denn die Neuigkeiten der letzten Zeit waren keine guten gewesen.
    Als sich endlich alle im Salon versammelt hatten, hielt die Baronin den Brief triumphierend hoch, der ihr gerade als Fächer gedient hatte. „Hier, seht ihr das Siegel?“, fragte sie erregt. „Von der Kaiserin. Sie hat sich an mich erinnert. Und daran, dass sie deine Patentante ist, Luise.“
    Luise versuchte die Aufregung ihrer Mutter zu verstehen. Sie wusste zwar, dass die Kaiserin ihre Patentante war, aber mehr als ab und an einen Brief oder ein Heiligenbildchen mit Widmung hatte sie von ihr noch nie bekommen.
    „ Das ist ja wirklich eine gute Nachricht, Mutter“, erwiderte sie deshalb vorsichtig.
    „ Das ist in der Tat eine gute Nachricht, mein Kind. Die Kaiserin sucht für einen ihrer Höflinge eine passende Frau, und ihre Wahl ist auf dich gefallen!“ Die Baronin strahlte über das ganze Gesicht. „Du wirst nach Wien gehen, du wirst eine hochgestellte Persönlichkeit heiraten und ein Leben in Saus und Braus führen, so wie es der Komtess Weißenstein zusteht.“
    Luise war leichenblass geworden, aber niemand achtete darauf, weil der Baron sanft den Brief aus den Händen seiner Frau löste und leise, aber bestimmt sagte: „Anettchen, wir können uns keine große Hochzeit leisten. Keinen Aufenthalt in Wien. Vermutlich können wir nicht einmal die Reise in die Hauptstadt bezahlen.“
    Mit ungewohnter Energie warf die Baronin den Kopf in den Nacken. Ihre Augen sprühten. „Lies den Brief, Friedrich. Die Kaiserin gewährt Luise nicht nur eine überaus großzügige Mitgift, sondern will ihr auch die Hochzeit ausrichten.“
    Der Baron studierte den Brief und im Raum herrschte völlige Stille. Als er das Blatt sinken ließ, musste er zugeben, dass seine Frau die Wahrheit gesprochen hatte. Der erwartungsvolle Ausdruck auf ihrem Gesicht brach ihm beinahe das Herz. Er wusste, wie sehr sie das Leben, das sie in Wien geführt hatte, vermisste. Schon zu jener Zeit, als Geld, besser gesagt, das Fehlen davon, noch nicht das einzige Thema in diesem Haus gewesen war, hatte sie mit leidenschaftlicher Begeisterung von den Erlebnissen am Hof berichtet.
    „ Nun, es scheint, als wäre unsere Pechsträhne tatsächlich zu Ende“, sagte er langsam.
    „ Ich wusste, dass die Kaiserin uns nicht vergisst, ich wusste es“, wiederholte die Baronin glückstrahlend. „Luise, wir werden deine Aussteuer zusammenpacken und nach Wien fahren. So schnell wie möglich. Ich werde noch heute Abend ein Schreiben aufsetzen, und der Kaiserin versichern, wie sehr wir diese Ehre zu schätzen wissen.“
    Luise blickte ihre Mutter schweigend an. Noch immer war sie blass bis in die Lippen und Sophie wagte nicht daran zu denken, was ihre Schwester sagen würde, wenn sie den Mund aufmachte
    „ Das Glück hat dir Rede verschlagen, mein Kind. Kein Wunder, wer hätte mir einer solchen Schicksalsfügung gerechnet.“ Anette von Weißensten tätschelte den Arm ihrer Tochter, der schlaff herunter hing. „Meine kleine Luise am Hof von Wien, ich kann es noch immer nicht fassen, die vielen ...“
    „ Nein, Mutter“, sagte Luise endlich. Ihre Stimme klang nicht besonders laut, aber fest. „Ich werde nicht nach Wien fahren, um die Frau eines wildfremden Mannes zu werden.“
    Entsetzt starrte die Baronin ihre Tochter an. „Luise, du verstehst nicht, was du da sagst .“
    „ Oh doch, ich verstehe alles. Du willst nach Wien zurück, und wenn es nur für einen kurzen Aufenthalt ist. Deswegen soll ich verheiratet werden, aber ich will nicht und du kannst mich nicht zwingen. Niemand kann mich zwingen.“ Jetzt war ihre Stimme schon lauter.
    „ Luise, in welchem Ton sprichst du mit mir?“, entrüstete sich die Baronin.
    Sophie stand neben ihrem Vater. Die beiden blickten sich hilflos an, während Luise starrsinnig wiederholte: „Ich werde nicht nach Wien gehen. Ich werde keinen mir unbekannten Günstling der Kaiserin heiraten.“
    Die Baronin wandte sich an ihren Mann. „Friedrich, sag doch etwas. Sag ihr, dass sie die Chance ihres Lebens wegwirft.“
    „ Anettchen, Luise, beruhigt euch doch.“
    „ Ich werde nicht nach Wien gehen.“ Luise verschränkte die Arme vor der Brust und hob kämpferisch das Kinn. „Wenn du so darauf erpicht bist, nach Wien zu kommen, dann lass doch Sophie den Höfling heiraten.“
    Sophie wich vor Schreck einen Schritt zurück. „Ich?“
    Luise nickte und ihre Wangen bekamen wieder etwas Farbe.
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