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Schattenwelten

Schattenwelten

Titel: Schattenwelten
Autoren: Fran Henz
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saßen um den Tisch und schauten sie neugierig an. Tina sah zwei kleine Mädchen, die einen Säugling hielten, zwei alte Frauen und einen noch älteren Mann. An der Kochstelle stand eine weitere Frau. Erst als diese sich umdrehte, merkte Tina, dass sie hochschwanger war.
    Tang stellte die Satteltaschen ab und verbeugte sich leicht. ”Gute Leute, gewährt meiner Schwester und mir Schutz vor dem Unwetter. Es soll euer Schaden nicht sein.” Er löste die Münzen von seinem Gürtel und legte drei auf den Tisch.
    Der alte Mann nickte und befahl den Kindern mit einer Handbewegung aufzustehen. Sie gehorchten widerspruchslos und hockten sich im hinteren Teil des Raumes, der außerhalb des Lichtkegels der Öllampe lag, in eine Ecke.
    Beklommen setzte sich Tina auf die Bank, Tang rutschte neben sie. Der Mann schob ihnen die halb vollen Schüsseln zu, die schwangere Frau reichte ihnen grob geschnitzte Essstäbchen und Holzlöffel.
    Tina lächelte ihr zu, aber sie erwiderte das Lächeln nicht und ihre Augen wirkten müde. Tot. Ihr Haar war glanzlos und ihre Gesichtsfarbe unnatürlich wächsern.
    In den Schüsseln war Getreidebrei mit Gemüse und einigen Stückchen gebratenem Ei. Tina hatte keinen Hunger, aber um die Menschen nicht zu beleidigen, aß sie pflichtschuldig einige Bissen, ehe sie die Schüssel Tang hinüberschob.
    Die ganze Zeit über beobachteten sie die drei Alten aus flinken schwarzen Augen. Tina rückte unwillkürlich näher zu Tang. Der alte Mann streckte eine Hand aus, die wie ein knorriger Ast wirkte, und berührte Tangs Mantel.
    ” Ein feines Gewebe, Sohn. Kommst wohl aus gutem Hause?” Sein zahnloser Mund verzog sich, und er warf einen neugierigen Blick auf die an der Wand lehnenden Satteltaschen.
    Tang aß ruhig weiter. ”Der Mantel ist das Geschenk eines Kaufmanns. Meine Schwester hat sich um seine Tochter gekümmert, als sie sehr krank war.”
    ” Und die Pferde sind auch ein Geschenk?”, fragte der Alte listig.
    ” Die Pferde sind alles, was mir mein Vater vermacht hat.”
    Bevor er seine Geschichte weiterspinnen konnte, ging die Tür auf und ein Mann kam herein. Er zerrte an einem Strick drei Ziegen hinter sich her, die er zu den Hühnern sperrte.
    Wasser tropfte von seinem Umhang auf den Boden, seine Schuhe waren völlig durchgeweicht. Er streifte beides ab und setzte sich an den Tisch, auf dem noch immer die Münzen lagen. Nach einem Blick darauf wandte er sich an Tang. ”Hat euch auch das Unwetter eingeholt? Wohin wollt ihr?”
    ” In den Süden”, antwortete Tang und schob die Schüssel zu ihm hinüber.
    ” Ich bin Wang Zhao. Ihr könnt in meinem Haus bleiben, solange ihr wollt. Und solange ihr euren Beitrag leistet”, fügte er hinzu, steckte die Münzen ein und begann zu essen.
    Tina lief ein Schauer über den Rücken. Wenn sie hier blieben, bestand die Möglichkeit, dass sie am Morgen mit durchschnittener Kehle aufwachten. Die Gier in den Augen der Männer sprach mehr als alle Worte.
    Die Frau ging schwerfällig von der Kochstelle zu der doppelflügeligen, klinkenlosen Tür und nahm einen Balken, der an der Wand lehnte, um ihn in die beiden gemauerten Halterungen neben dem Eingang zu schieben und die Tür damit zu verriegeln.
    Der Balken war lang und massiv und eindeutig zu schwer für die Frau. Aber keiner der Männer machte Anstalten, ihr zu helfen. Tina sprang auf, und mit vereinten Kräften gelang es ihnen, den Riegel in die Halterungen zu bringen.
    Die schmalen Lippen der Frau verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln, und sie neigte den Kopf ein wenig, dann wich sie Tinas Blick aus und ging hinüber zum Tisch.
    Dort setzte sie sich auf einen der wackeligen Hocker und wartete, bis Wang Zhao – ihr Ehemann, davon war Tina mittlerweile überzeugt – die Schüssel zu ihr hinüberschob. Darin befanden sich die Reste der Mahlzeit, kaum mehr als zwei, drei Löffel voll.
    Ungläubig betrachtete Tina die Szene und wollte schon den Mund aufmachen, als Tang ihr unter dem Tisch einen Tritt versetzte. Sie wandte sich ihm zu und las die Warnung in seinen Augen. Widerwillig schloss sie ihren Mund.
    ” Der Hagel hat auf den Feldern keinen Schaden angerichtet”, sagte Zhao. ”Noch ist die Saat nicht aufgegangen.”
    Die drei Alten nickten.
    ” Ich werde den Göttern morgen ein Opfer bringen, zum Dank. Und um sie milde zu stimmen, damit sie mir endlich einen Sohn schenken.” Er streckte die Hand aus und berührte den gewölbten Leib seiner Frau.
    Tina hatte erwartet, dass sie
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