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Schattenwelten

Schattenwelten

Titel: Schattenwelten
Autoren: Fran Henz
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zurückzucken würde, aber das tat sie nicht.
    ” Damit hätte meine Pechsträhne ein Ende.” Er warf einen Blick in die Ecke, wo sich die drei Mädchen aneinanderdrückten. Dann stand er auf und ging zu den alten Frauen hinüber. Vorsichtig hob er eine von ihnen auf seine Arme und trug sie quer durch den Raum, zu einem mit einem Vorhang abgedeckten Durchgang, den Tina vorher nicht bemerkt hatte.
    ” Kommt, ich zeige euch den Schlafplatz.” Die schwangere Frau schob die leeren Schüsseln zur Seite, griff nach der Öllampe und führte sie zu einem Vorhang an der anderen Seite des Raumes. Dahinter verbarg sich ein Zimmer, in dem ein riesiges Bett auf einem rechteckigen, gemauerten Fundament stand. Vor dem Fußende des Bettes befanden sich einige Truhen, sonst gab es nichts. Auch hier roch es nach Rauch.
    Vorsichtig trat Tina näher und streckte dann ungläubig die Hand aus, aber sie hatte sich nicht getäuscht. Das Bett strahlte Wärme ab.
    Die Frau bückte sich, öffnete eine Klappe im Fundament und stocherte mit einem Haken darin herum. ”Die Glut sollte bis zum Morgen reichen.”
    Sie richtete sich wieder auf. ”Ich kümmere mich um die Eltern und die Tante. Ihr könnt euch schon schlafen legen.”
    Tina betrachtete das breite Bett, das mehr einem überdimensionalen Grill glich als einer Schlafstatt. Die Worte ihrer Gastgeberin erreichten langsam ihr Gehirn und sie sah Tang fragend an.
    Er hatte sich aufs Bett gesetzt und begann seine Stiefel aufzuschnüren. ”Das, Lotosblume, ist ein Kang. Vor allem in Nordchina verbreitet, da es im Winter dort sehr kalt wird. Für gewöhnlich schläft die ganze Familie hier.”
    ” Die ganze Familie?”, echote Tina ungläubig.
    Er nickte. ”Ja. Den Luxus mehrere Kangs zu betreiben, können sich nicht viele Familien leisten.”
    Der Gedanke, mit Tang allein ein Bett teilen zu müssen, hatte in Tina leichtes Unbehagen ausgelöst, der Gedanke jedoch es mit einer ganzen Familie zu teilen, versetzte sie in Panik. Unbewusst schüttelte sie den Kopf.
    ” Es gibt keine andere Möglichkeit”, sagte Tang leise. ”Und das Bett ist nicht sehr groß. Ich vermute, dass die drei Alten in einem eigenen Kang schlafen. Lin versorgt sie für die Nacht.”
    ” Lin? Das ist ihr Name? Ihr Mann hat sie kein einziges Mal direkt angesprochen”, bemerkte Tina. ”Und er hat ihr fast nichts zu essen übrig gelassen, dabei ist sie schwanger.”
    Tang seufzte. ”Die Dinge hier sind anders, Hexe. Lin muss sich erst den Respekt ihres Mannes und seiner Familie verdienen. Im Augenblick ist sie kaum mehr als ein unnützer Esser.”
    ” Womit muss sie sich denn Respekt verdienen? Die beiden alten Frauen sehen nicht so aus, als würden sie auch nur einen Finger rühren. Das heißt, Lin kocht, putzt, wäscht und versorgt die Kinder, die drei Verwandten und die Haustiere.”
    Sie strich ihr Haar aus dem Gesicht und zog den Mantel trotz der angenehmen Temperatur im Raum enger um sich.
    ” Das, was Lin tut, ist selbstverständlich. Alter ist in China eine Tugend. Ihm wird höchste Ehrerbietung entgegengebracht. Alter ist gleichbedeutend mit Weisheit. Die Schwiegertochter hat die Pflicht, sich um die Eltern ihres Mannes zu kümmern”, erklärte Tang geduldig.
    ” Sie tut alles, was von ihr verlangt wird. Warum behandelt man Lin trotzdem wie Luft?”
    Tang betrachtete sie einen Moment lang mit einem nachsichtigen Blick, der Tina nicht gefiel. ”Weil sie bisher keinen Sohn zur Welt gebracht hat.”
    Noch vor ein paar Tagen wäre Tina wegen dieser Antwort explodiert. Aber mittlerweile wusste sie, dass Tang für die Gepflogenheiten und Gesetzte dieser Zeit nicht verantwortlich war, sondern sie ihr nur zu erklären versuchte. Deshalb mit ihm streiten, hieß ihre Kräfte vergeuden, denn es änderte nichts an den Tatsachen.
    Sie fühlte Bedauern für Lin, die im Gegensatz zu ihr selbst eine Gefangene dieser Zeit war. Lin würde nie in die Lage kommen, ihre Situation zu hinterfragen, geschweige denn zu ändern.
    ” Dann hoffe ich für sie, dass sie einen Jungen bekommt”, sagte Tina resignierend und trat näher an das Bett. Auch hier gab es die Holzklotzkissen, aber zusätzlich noch dicke Decken aus ungefärbter Schafwolle. Sie legte ihren Mantel ab und rollte ihn zusammen. Dann setzte sie sich neben Tang und band ihre Stiefel auf. Dabei war sie sich Tangs Gegenwart überdeutlich bewusst.
    Zwar schliefen sie in der Jurte auch nebeneinander, aber das Zelt war viel größer und gewährte durch drei separate
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