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Schattenwelten

Schattenwelten

Titel: Schattenwelten
Autoren: Fran Henz
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Bergkristall schmückten die Kleidung. Arnes Mantel lag sorgfältig gefaltet auf Zoras Schoß.
    Sie kamen an anderen Siedlungen vorbei, und kurz bevor sie die Jarlsfeste erreichten, fuhren sie mit zahlreichen neu dazugekommenen Wagen im Konvoi. Das Fest musste tatsächlich etwas Besonderes sein, wenn von nah und fern Gäste eintrafen.
    Die Feste selbst bestand aus einem guten Dutzend gewaltiger Langhäuser samt Nebengebäuden, die durch einen Verteidigungswall geschützt wurden. Die ganze Anlage befand sich direkt am Meer und schon bei der Anfahrt sah Tessa die Flotte der Drachenboote im Hafen liegen.
    Die Wagen mussten vor dem Wall halten und alle Passagiere zu Fuß in die Feste marschieren. Schon von hier hörte man die Spielleute musizieren. Auf dem weiten Platz zwischen den Häusern standen Holztische und Bänke. Über zwei Feuerstellen brieten Wildschweine am Spieß und etliche Fässer Bier standen bereit. Mägde schenkten bereits eifrig an die Anwesenden aus. Der Tisch des Jarls stand auf einem Podium, sichtbar für alle. Zusätzlich machte ein mächtiger, mit aufwendigen Schnitzereien verzierter Stuhl – eigentlich schon ein Thron – seine Stellung klar.
    Noch war dieser Stuhl allerdings frei.
    Tessa hielt sich unauffällig an Meldis, die sich unter die Gäste mischte und mit ihnen lachte. Immer wieder wurde sie freudig begrüßt und nach einer Weile scharte sich eine Gruppe junger Männer um sie. Meldis schäkerte mit ihnen herum, aber Tessa merkte auch, dass es eine Grenze gab, die dabei nicht überschritten wurde. Auf sie selbst achtete niemand, und das gab ihr Gelegenheit, alles zu beobachten. Wenn sie sich konzentrierte, fielen ihr die Namen der Anwesenden ein und manchmal auch etwas von deren Lebensgeschichte. Sie ließ die Dinge einfach auf sich wirken und wartete mit einer gewissen Spannung, was weiter passieren würde.
    „ Meldis, welche Freude dich zu sehen.“ Ein Mann drängte sich durch die Schar der Bewunderer. Er war älter als die anderen, bestimmt über zwanzig, und er schien Tessa auf seltsame Weise vertraut, obwohl sie ihn mit Sicherheit noch nie gesehen hatte. Er hieß Serre und er war der älteste Sohn von Erik Ulfsson, dem der Nachbarhof von Arne gehörte. Seit einigen Wintern lebte er jedoch in der Jarlsfeste und gehörte zum direkten Gefolge des Jarl. Wie den meisten Männern hier fiel ihm das dichte blonde Haar in Locken auf die Schultern, allerdings trug er im Vergleich zu den wild wuchernden Gestrüppen der anderen einen kurz gestutzten Vollbart. Von seiner rechten Schläfe hingen drei dünne Zöpfchen, an deren Enden Bernsteinperlen befestigt waren. „Und jedes Mal, wenn ich dich sehe, wirst du schöner.“ Er lächelte und zeigte dabei starke weiße Zähne.
    Meldis warf den Kopf in den Nacken. „Serre, ich glaube, dein Vater sucht dich.“ Ihre Stimme klang kühl und abweisend.
    „ Ach, der kann warten. Ich habe gehofft, dass du kommst und wir etwas Zeit füreinander haben.“ Er betrachtete sie mit einem Blick, der Tessa nicht im Unklaren ließ, dass er diese Zeit nicht mit Gesprächen über die Aussaat von Gerste verschwenden würde.
    Meldis sah ihn nur böse an, also sagte sie im Bestreben, ihr zu Hilfe zu kommen. „Meldis hat noch zahlreiche Verpflichtungen, ihre Zeit ist beschränkt.“
    Sie hörte beinahe, wie Meldis die Luft anhielt. Serres kühle blaue Augen richteten sich auf sie. „Sprichst du jetzt schon für deine Herrin, Alva? Deine Aufgaben scheinen ja ohne Zahl zu sein.“
    Tessa spürte, wie sie rot wurde. Verdammt, sogar in dieser Zeit wurde sie rot! Das war doch nicht zu fassen!
    Sie räusperte sich, aber ehe sie etwas erwidern konnte, sagte Meldis ruhig. „Der Jarl ist der Oheim meiner Mutter. Ich werde heute Verpflichtungen haben, Serre, das weißt du und das weiß auch Alva. Aber es sind so viele Mädchen hier, ich bin sicher, dass sich eines davon von dir die Zeit vertreiben lässt.“
    Jetzt war es Tessa, die den Atem anhielt. Eine derartige Abfuhr vor Zeugen musste einem Mann aus dieser Zeit recht hart ankommen. Nicht nur dieser Zeit, sondern jeder Zeit.
    Fast erwartete sie einen Zornesausbruch, aber der Mann lächelte sie unbekümmert an und antwortete ruhig. „So sei es, Meldis. Aber wer weiß, vielleicht findest du irgendwann in diesen Tagen doch ein freies Stündchen für mich.“ Mit diesen Worten entfernte er sich.
    Meldis tauschte einen schnellen Blick mit Tessa und wandte sich dann wieder an die sie umringenden Männer, um mit ihnen ein
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