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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde
Autoren: Kelley Armstrong
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Matratze versteckt war? Mich aus dem Zimmer heraus astralprojizieren und draußen umsehen?
    Ich hielt inne und sah langsam an mir herunter, an dem Oberteil, das ich trug. Liz’ grünes Kapuzenshirt.
    Wenn sie tot war, konnte ich sie vielleicht rufen, sie darum bitten, sich das Gebäude näher anzusehen und …
    Wenn sie tot ist?
Hoffst
du jetzt schon, dass sie tot ist?
    Ich krallte die Finger in die Überdecke und holte tief Luft. Ich hatte mich jetzt seit Tagen geweigert, daran zu glauben, dass Liz tot war. Ganz gleich, wie viele Hinweise ich hatte, die es nahelegten, ich konnte es nicht glauben, denn die Vorstellung war … unvorstellbar.
    Aber jetzt, als ich dort saß, eingeschlossen in diesem Zimmer, von meiner Tante verraten, darauf gefasst, dass sie Derek aufspüren und umbringen würden wie ein Tier …
    Liz war tot.
    Sie hatten sie umgebracht.
    Sie war eine Paranormale irgendeines Typs gewesen, und ihre Kräfte waren außer Kontrolle geraten. Also hatten sie sie umgebracht. Sie mussten es getan haben, sonst wäre sie in dieser Aufzählung ja auch vorgekommen. Und was war mit Peter? Hatten seine Eltern nur so getan, als holten sie ihn ab, damit diese Leute ihn umbringen konnten? Oder vielleicht war er dort rausgekommen, weil es ihm bessergegangen war. Liz war es nicht bessergegangen … also war sie auch nicht mehr herausgekommen.
    Ein winziger Teil von mir klammerte sich immer noch an die Hoffnung, dass ich mich im Hinblick auf Liz irrte. Aber ich wusste, ich irrte mich nicht.
    Ich zog mir das Kapuzenshirt über den Kopf und bemerkte dabei meinen frisch verbundenen Arm. Sie hatten also genäht, während ich bewusstlos gewesen war. Wenn sie das taten, bedeutete das immerhin, dass sie nicht vorhatten, mich gleich umzubringen.
    Ich starrte auf das Kapuzenshirt hinunter und dachte an Liz und ans Sterben. Daran, wie es wohl sein würde, mit sechzehn tot zu sein und den Rest seines Lebens einfach verloren zu haben.
    Ich kniff die Augen zusammen. Keine Zeit für so was.
    Ich suchte das Zimmer nach Überwachungskameras ab. Ich fand keine, aber das bedeutete nicht unbedingt, dass keine da waren. Wenn sie sahen, dass ich Selbstgespräche führte, würden sie erraten können, was ich tat, und vielleicht zu dem Schluss kommen, dass meine Kräfte außer Kontrolle geraten waren wie bei Liz.
    Entweder ich tat es, oder ich tat es nicht. Meine Entscheidung.
    Ich setzte mich im Schneidersitz aufs Bett, Liz’ Kapuzenshirt in den Händen, und rief sie, wie ich die anderen Geister gerufen hatte. Ich brauchte mir keine Sorgen zu machen, dass ich es übertreiben und die Toten ins Leben zurückholen würde. Es gab hier keine Leichen. Zumindest hoffte ich das. Andererseits hatte ich keine Ahnung, was auf der anderen Seite meiner Tür war. Vielleicht ein Laboratorium, vielleicht die Leichen anderer Fehlschläge wie Liz …
    Keine Zeit
für so was!
    Der Geist des Nekromanten hatte gesagt, Lyle House sei durch eine Formel geschützt, die Geister abwehrte. Das bedeutete vermutlich, dass es hier ebenfalls so war, was wiederum bedeutete, dass ich die gesamte zusätzliche Kraft brauchen würde, von der er behauptet hatte, dass ich sie besaß.
    Ich konzentrierte mich, bis meine Schläfen zu schmerzen begannen, aber es passierte nichts.
    Ich schloss die Augen, um besser visualisieren zu können, öffnete sie aber immer wieder einen Spalt weit, was mir das Konzentrieren unmöglich machte. Irgendwann schloss ich sie und ließ sie geschlossen, legte alles in die Vorstellung, dass ich Liz aus dem Äther hervorzog, und …
    »Wow. Wo bin ich denn hier?«
    Ich öffnete die Augen, und da war sie, immer noch in ihr Minnie-Maus-Nachthemd und die Giraffensocken gekleidet.
    Liz.
    Nein, Liz’ Geist.
    »Hallo?« Sie wedelte mir mit der Hand vor den Augen herum. »Was ist los, Chloe? Ich wüsste nicht, wovor du Angst haben müsstest. Ich weiß schon, Lyle House ist nicht gerade Disneyland, aber …«, sie sah sich um und runzelte die Stirn, »das hier ist nicht Lyle House, stimmt’s? Wo …? O mein Gott. Wir sind in dem Krankenhaus. Die haben dich auch hierher verlegt. Wann?« Sie blinzelte heftig und schüttelte den Kopf. »Die haben ein paar ziemlich abgedrehte Medikamente hier. Ich schlafe dauernd ein und habe diese komischen Träume, und wenn ich dann aufwache, bin ich total verwirrt. Haben sie dir das Zeug auch gegeben?«
    Wo war Liz die ganze Zeit gewesen? In irgendeiner Zwischenwelt? Eins war sicher: Sie wusste nicht, dass sie tot war.
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